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Ungewohnter Look: Katja Riemann in „Das Wochenende“.
Verleih

„Mein Herz schlägt für künstlerische Prozesse“

28. März 2013

Katja Riemann über „Das Wochenende“, das Entwickeln einer Rolle und die RAF – Roter Teppich 04/13

Seit 20 Jahren gehört Katja Riemann zu den großen Stars der deutschen Filmlandschaft. Nach Anfängen in Unterhaltungsfilmen wie „Der bewegte Mann“, „Stadtgespräch“ oder „Die Apothekerin“ konzentrierte sie sich mehr und mehr auf anspruchsvollere Rollen in Filmen wie „Rosenstrasse“, „Ich bin die Andere“ oder „Der Verdingbub“. Aktuell kann man sie in der Bernhard-Schlink-Adaption „Das Wochenende“ in ungewohntem Look in der Rolle der Inga Lansky auf der Leinwand sehen.

choices: Frau Riemann, wie würden Sie Ihre Rolle in „Das Wochenende“ charakterisieren?
Katja Riemann: Ich denke, das Lebensthema von Inga ist ihre Ambivalenz zu ihrer Lebenssituation, ihre Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Sie verdrängt die Geschichte mit dem Vater ihres Sohnes. Sie ringt mit der aus dieser Verdrängung resultierenden Schwermütigkeit und den immer wiederkehrenden depressiven Schüben. Ich habe versucht, diese Frau, die ein bisschen älter ist als ich, aus diesem Gedanken der Schwermut und der Erschöpfung zu spielen. Deswegen ist sie wahrscheinlich auch mit so einem „gesunden“ Mann zusammen, der heiter und pragmatisch ist.

Und was ist ihre Funktion in Bezug auf die anderen Figuren des Films?
Ich würde denken, dass sie das Verbindungsstück der anwesenden Personen ist; die die Zeiten, von denen gesprochen wird, in sich vereint, die sich in ihr reiben und von denen sie sich wiederum zerreiben lässt. Sie ist zentral, aber passiv. Sie betrachtet, statt zu handeln. Das ist ihr Thema, ihr Trauma; ihr „Need“, würde Lee Strasberg sagen. Am Ende dann die Katharsis: Sie entscheidet sich für ihr eigenes Wohl aus einem Moment heraus und für einen Moment, um etwas zu beenden, was sie vor langer Zeit begonnen hat und zu verdrängen versuchte. Sie geht in die Aktion, um wieder atmen zu können. Sie dreht sich quasi aus der Mitte heraus, um ihren Mittelpunkt in sich zu stabilisieren.

Sie sind in „Das Wochenende“ mit untypischer Frisur und ungewohntem Look zu sehen. War das eine Vorgabe durch den Roman oder das Drehbuch?
Nee, das war meine Idee. Ich bin eigentlich zu jung für die Rolle und die Frage war, mit welchen Mitteln versucht man, das Alter zu erreichen. Daher sagte ich, wir müssen meinen Typ komplett verwandeln, das ist viel interessanter als mir Gummimilch ins Gesicht zu reiben. Aber es ist nicht das erste Mal, dass ich mit derlei Mitteln arbeite; bei den Filmen „Das wahre Leben“, „Verdingbub“ und „Relativitätstheorie der Liebe“ habe ich ebenfalls mit kompletter Verwandlung gearbeitet.

Hat Ihnen das geholfen, sich leichter in die Figur der Inga Lansky einzufinden?
Na ja, ich würde sagen: andersrum. Es gilt ja nicht nur sich „einzufinden“, sondern sie zu „erfinden“. Eine Figur muss man ja auch kreieren und da gibt es innere als auch äußere Mittel, da gibt es ein auf-die-Figur-zugehen und ein die-Figur-an-sich-heranziehen. Aus dem Konglomerat habe ich meine Inga entwickelt. Eine andere Schauspielerin hätte dieselbe Rolle sicherlich anders gespielt.

Haben Sie den Roman im Vorfeld gelesen oder sich sogar mit Bernhard Schlink darüber ausgetauscht?
Na klar habe ich den Roman gelesen. Ich habe alles von Schlink gelesen für die Vorbereitung, weil man ja nicht weiß, ob das vielleicht hilfreich sein könnte in irgendeiner Weise. Und ich habe tausend RAF-Filme und tausend RAF-Bücher gelesen, um sicher zu sein innerhalb des Umfeldes. Das hat aber nicht wirklich was für die Schauspielerei dieser spezifischen Rolle gebracht. Herrn Schlink durfte ich kennen lernen, als er uns einmal am Set besuchte. Was vielleicht noch von Interesse sein könnte, ist, dass es meine Figur bei Schlink nicht gibt, bzw. sie im Buch bereits tot ist. Das gab uns, meiner Regisseurin und mir, auch eine schöne Freiheit in Bezug auf die Figurenentwicklung.

Wie wichtig sind im Film die politischen Hintergründe der Geschichte?
Der Film erzählt von Menschen, die sehr politisiert in die Welt hinein gegangen sind. Einer von ihnen hat sich sogar radikalisiert. Er ist in den Untergrund gegangen und hat irgendwann eine Waffe in die Hand genommen. Die anderen haben letztlich einen bürgerlichen Weg gewählt, indem sie nach ihrem Studium Ärzte, Juristen Studienoberräte oder was auch immer geworden sind. Ich weiß nicht, ob man so schlicht sagen, dass sie mit der Wahl dieses Lebenswegs das verraten haben, womit sie früher in die Welt gegangen sind. Als junger Mensch ist man radikal, gerade weil man jung ist und erstmal in die Opposition geht, was gut und richtig ist. Sonst würde sich die Welt nicht bewegen.

Wie haben Sie selbst damals die RAF und Ihre Aktionen wahrgenommen?
Ich war ein sehr kleines Kind zu Zeiten der RAF, aber ich erinnere mich an das Fahndungsbild, das bei uns in der Sparkasse hing und mit 10.000 DM ausgelobt war. Darauf waren Meinhof, Baader, Ensslin, Raspe nicht zu erkennen, aber sie waren es wohl. Später erinnere ich mich an die Nachrichten, die mit Bonn und Mogadischu eingeleitet wurden. Und die Politisierung, die vielleicht ausgelöst durch die RAF in meiner Generation entstand, die dann dazu führte, Häuser zu besetzten, sich auf die Startbahn West zu setzen oder auf Gleise, um gegen Gorleben zu protestieren, die 1. Mai Demos...

Können Sie sich selbst mit revolutionären Ideen identifizieren?
Kommt auf die revolutionäre Idee an. Falls es revolutionär ist – und nicht einfach nachgemacht...

Inga sagt: „Alles ist mir immer passiert, ich habe mich nie wirklich entschieden.“ Trifft das auch auf Sie zu?
Nee. (lacht)

Sowohl im Theater als auch beim Film pendeln Sie zwischen leichter Publikumskost und anspruchsvollen Werken. Wofür schlägt Ihr Herz?
Leichte Publikumskost? Was sollte das Ihrer Meinung nach sein? „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ – das war mein letztes Theaterstück. „Das Wochenende“? – das ist mein neuer Kinofilm. „Verratene Freunde“? – das ist mein neuer TV-Film. Also, ich sag mal so: mein Herz schlägt für die Herausforderung, mein Herz schlägt für künstlerische Prozesse, für Inspiration und Kreation und für gemeinschaftliche Entwicklungen und Arbeiten. Und da ist es dann piepegal, ob es leichte oder schwere Kost ist oder ein Menü, if you know what I mean...

Sie arbeiten vergleichsweise oft mit Regisseurinnen zusammen. Wird das von Ihnen bewusst gesteuert oder ergibt sich das?
Das ergibt sich so und ist wunderbar.

Sie sind seit 20 Jahren im deutschen Film erfolgreich. Inwiefern hat er sich Ihrer Meinung nach in dieser Zeit verändert?
Oha, das ist jetzt aber mal eine komplexe Frage. Ich glaube, ich bin gerade zu faul darüber zu referieren... Können wir das ein anderes Mal machen, please??

Interview: Frank Brenner

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