Endlich dürfen auch Motorradfahrer auf Reisen lächelnd durch die beglückenden Landschaften cruisen: Nie setzten sich weniger lästige Insekten zwischen strahlende Zähne. Zu Beethovens Zeiten und auch in Gustav Mahlers Tagen – einige Zeitgenossen werden sich ebenfalls erinnern – gab es so viel Gebrumme und Gesumme in der Luft, dass die Vögel mit prall gefüllten Mägen auf den Ästen hockten. Beethoven mit Blick auf den Schreiberbach in einem Vorort Wiens: „Hier habe ich die Szene am Bach geschrieben, und die Goldammern da oben, die Wachteln, Nachtigallen und Kuckucke ringsum haben mitkomponiert.“
Die Szene am Bach beherrscht den zweiten Satz der berühmten 6. Sinfonie, genannt „Pastorale“. Die Essener Philharmoniker haben das klingende Naturerlebnis als Einstimmung auf die Sommerpause auf das Programm des letzten Abo-Konzertes gesetzt – Vogelgesang, Wanderschritt, Wasserplätschern bis zum donnernden Gewitter tönen als Vorhall sommerlicher Freuden und Naturerlebnisse. Natürlich stammt diese Sinfonie aus dem beginnenden 19. Jahrhundert aus den Blütetagen der romantischen Weltsicht. Brentano und von Arnim hatten 1808, also im Jahr des pastoralen Urbebens aus Beethovens Feder, „Des Knaben Wunderhorn“ veröffentlicht. Dies sollte die berühmteste Volksliedtextsammlung der jüngeren Romantiker werden, die ihr aufflammendes Nationalgefühl mit dem zielgewandten Blick in die Vergangenheit befriedeten – bis ins Mittelalter hinein. Der Ritter war hier vorzüglich bemüht um die Minne, nicht um die bluttriefende Klinge. Sein stolzer Mut diente in jedem Falle der „Gesundung der Nation“.
Beethoven hörte beziehungsweise sah seine Pastorale weniger als Programmmusik. Er notierte hinter dem Titel deshalb als Verständnishilfe in Klammern: „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei.“
Knapp ein Jahrhundert nach Beethoven beschäftige sich Gustav Mahler immer wieder mit der berühmten Wunderhorn-Sammlung, vertonte neben zahlreichen Klavier- und Orchesterliedern auch auf sinfonischem Terrain Texte. Um diese zu transportieren wurden zusätzlich zum Orchester ein Kinder- und ein Damenchor einbestellt, und Mahler baute ein fantastisches Altsolo in die Sinfonie ein. Die Dortmunder Philharmoniker beschließen mit dieser Anrufung auch der Natur ihre Saison mit einem echten sinfonischen Highlight und setzen ihren kleinen Mahlerzyklus fort. Mahler zu seinem Werk: „Die ganze Natur bekommt darin eine Stimme und erzählt so tief Geheimes, das man vielleicht im Traume ahnt!“ Für diese Geständnisse hat der Komponist viel Zeit angesetzt, die sehr abwechslungsreich ausgenutzt wird. Die Uraufführung geschah übrigens 1902 in der Region beim Tonkünstlerfest in Krefeld. Dass in diesem sehr originellen Werk die Sonne scheint, verdankt sie dem Arbeitsplan ihres Schöpfers: Mahler komponierte meist im Sommer.
Mahlers 3. Sinfonie | Mo 3., Di 4.7. 20 Uhr | Konzerthaus Dortmund | 0231 22 69 62 00
Beethovens 6. Sinfonie | Do 13., Fr 14.7. 20 Uhr | Philharmonie Essen | 0201 81 222 00
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