Mit dem Hochsommer verbinden die meisten Cineasten wahrscheinlich Open Air-Kino, eben unter freiem Himmel. Eine besondere Spezies unter den Kinofans trifft sich aber trotz Hitze Ende August, um in acht deutschen Städten ganze Tage im Kinosaal zu verbringen. Die Freunde des Fantasy Filmfests wissen, dass das Opfer nur gering ist im Vergleich zu den unglaublichen Ereignissen, denen sie auf der Kinoleinwand beiwohnen werden. In Köln laufen vom 25. August bis zum 1. September im Cinedom Genrefilme, die alle Zartbesaiteten meiden sollten. Denn zu sehen sind hier neben Fantasy-Spektakeln schnelle Actionfilme, blutige Splatter- und Slasher-Streifen und düstere Thriller. Wenn‘s dann doch mal lustig wird, ist der Humor sicherlich tiefschwarz: „Four Lions“ zum Beispiel portraitiert britische Islamisten, die den Jihad vorbereiten. Dabei stellen sie sich allerdings recht trottelig an. Sasha Cohen Baron wird sich ärgern, dass er den Film nicht mehr machen kann. Die Splatterkomödie „Suck“ wiederum kreuzt das Vampir-Genre mit dem Musikfilm und garniert das Ganze mit Gastauftritten von Alice Cooper, Iggy Pop, Henry Rollins und Moby.
Ziemlich typisch für das Fantasy Filmfest sind die zahlreichen asiatischen Genrefilme. „Tetsuo – The Bullet Man“ von Shinja Tsukamoto passt perfekt hierhin – und wird doch aus dem Programm herausstechen. Denn vor 20 Jahren hat Tsukamoto mit dem punkigen „Tetsuo“ einen wahren Kultfilm geschaffen. In seinem gleichsam trashigen wie kunstvollen Industrial-Horrorfilm mutiert ein Salaryman zu einer metallenen Kampfmaschine. Mit dem dritten Teil scheint er sich nach einem glatteren Follow Up wenige Jahre nach dem ersten Teil nun wieder mehr an der ungestümen Ästhetik des Originals zu orientieren. Sicherlich ist das einer der Höhepunkte des Festivals.
Auf dem Fantasy Filmfest findet man aber nicht nur Filme für Spezialisten und Nerds. Hier laufen ebenso die neuen Filme mit Adrien Brody („The Experiment“) oder Michael Caine („Harry Brown“). Und sogar Autorenkino gibt es – oder zumindest Genrefilme von Autorenfilmern: Michael Winterbottom hat sich mit „The Killer inside me“ einer düsteren Thrillervorlage angenommen, deren Verfilmung er mit Casey Affleck (u.a. „Ocean‘s Eleven“), Jessica Alba, Kate Hudson („Bride Wars“) und anderen prominent und überraschend besetzt hat.
Seit historische Stoffe auch mit Special Effects aufgetuned oder mit blutigen Thrillerelementen angereichert werden, finden auch das Mittelalter und die Antike ihren Platz auf dem Festival. „Black Death“ – offizieller Kinostart ist der 9. September – entführt ins dunkle Mittelalter, in dem die Pest regiert und sich Aberglaube und Gewalt ausbreiten. Ein Trupp macht sich auf, um das Geheimnis eines idyllischen, von der Pest verschonten Dorfes zu lüften. Dort angekommen, erwartet sie eine Überraschung, die alles andere als idyllisch ist. „Centurion“ mit Michael Fassbender („300“) entführt effektvoll ins Römische Reich. Auch „The Wild hunt“ mutet mittelalterlich an. Doch der Film begleitet lediglich eine Gruppe beim ritterlichen Rollenspiel in den tiefen Wäldern Kanadas. Doch aus Spiel wird schnell Ernst, und die Rollen haben plötzlich fatale Folgen für ihre Darsteller. Der Wunsch nach Spielunterbrechung gilt nicht mehr. Abbrechen kann man als Zuschauer natürlich jederzeit – die Türen der Kinosäle werden ja wohl nicht verschlossen. Aber welches cineastische Nachtschattengewächs würde schon freiwillig zugeben, dass es jetzt doch etwas zu krass wird?
25.8.-1.9. I täglich ab 14.30 Uhr I Cinedom I www.fantasyfilmfest.com
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