„Die Landschaft ist unser größter Konkurrent“, hat Peter Carp einmal gesagt. Damals war er Schauspieldirektor am Theater in Luzern. Dieser Satz dürfte nun seine Gültigkeit verlieren, denn ab der Spielzeit 2008/09 tritt der 52jährige gebürtige Hamburger die Intendanz des Theater Oberhausen an. Das konfliktgeladene Ruhrgebiet wirke auf ihn wie ein „Kontrastprogramm“, das einen ganz anderen Themenreichtum ermögliche.
Peter Carp möchte Oberhausen auf der Theaterlandkarte neu positionieren. Wichtig sei dabei, die Leute zu verblüffen. Dies soll zunächst über profilierte Regiehandschriften geschehen. Namen sind ihm zwar nicht zu entlocken. Doch immerhin sagt er, dass „einige, die in Luzern gearbeitet haben, auch in Oberhausen wieder auftauchen werden.“ Wer den Luzerner Spielplan geprägt hat, ist schnell ausgemacht: der russische Bildermagier Andriy Zholdak, der argentinische Sprech-/Musik-/Objekttheater-Regisseur Alejandro Tantanian, Theaterberserker Jürgen Kruse, die italienische Autorin und Regisseurin Emma Dante oder auch der Regisseur Herbert Fritsch. Angebiedert hat sich Peter Carp beim Luzerner Publikum damit nicht, sondern es eher bei seiner Neugier gepackt. Und genau darauf zielt er offenbar, wenn er für Oberhausen überraschend das Wort „Entertainment“ ins Gespräch bringt. „Entertainment ist alles, was mich neugierig macht“, zitiert er den Regisseur Luc Bondy. Neugierig machen sollen neben Klassikern in profilierter Sicht vor allem junge Autoren. Dazu habe ihn der Oberhausener Kulturausschuss ausdrücklich ermuntert. Carp, der in den 1980er Jahren Dramaturg an der Berliner Volksbühne bei Hans Neuenfels war, will Uraufführungen wie bereits fertige Stücke auf die Bühne bringen. Es fallen die Namen Dirk Lauke, Dea Loher oder Elfriede Jelinek. Darüber hinaus werden spartenübergreifende musikalische Projekte sowie die Bespielung öffentlicher Orte eine große Rolle spielen. Bei so viel Experimentiergeist, das weiß auch Peter Carp, spielt die Vermittlung eine entscheidende Rolle. Deshalb will er den Dialog mit dem Publikum erheblich verstärken. Der Intendant spricht vom Theater als „permanentes Fest“. Nicht im Sinne von Feiern allerdings, sondern von Offenheit, Gesprächsbereitschaft und permanentem Austausch. Oberhausen ist für Peter Carp kein ganz neues Pflaster. 1992 hat er dort als Regie- Anfänger unter dem damaligen Intendanten Klaus Weise Ibsens „Gespenster“ inszeniert. Der leitet inzwischen das Theater Bonn und hat seinen ehemaligen Schützling nun zu einer „Clavigo“-Inszenierung überredet. Carp interessiert an Goethes Karrieregeschichte das Schwanken des Titelhelden zwischen den Selbstentwürfen als Minister und als Oppositionellen. Clavigo Narzissmus’ erinnere ihn dabei an Ex-Außenminister Joschka Fischer. Am 11. April ist Premiere. Gute Gelegenheit, den neuen Oberhausener Intendanten schon mal in Augenschein zu nehmen.
Theater Bonn: „Clavigo“ von Johann Wolfgang Goethe, 11.(P)/19./29.4., Kammerspiele, Info: www.theater-bonn.de.
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