Oft ist die Venus der Abendstern, der am hellsten leuchtet im Himmelszelt. Richard Wagner hat in seiner Oper „Tannhäuser“ dem kräftigsten Leuchtkörper seine vielleicht lyrischste Bariton-Arie im „Lied an den Abendstern“ gewidmet. Sie wurde tausendfach interpretiert, aber dass die Zuhörer den Stern leuchten hören, gelingt nur wenigen großen Sängern der Gegenwart. Bei Matthias Goernes Abendstern zog selbst in konzertanter Sachlichkeit eine ganze Landschaft auf, ein Bild großer Menschlichkeit und Verletzlichkeit. Was erwartet wohl die Hörer der abgründigen Dichtung Eichendorffs in den schwärmerischen Vertonungen Robert Schumanns? Davon dürfen sich die Besucher in Essens Philharmonie hoffentlich bald ein Bild malen lassen. Ein klassischer Liederabend mit zwei Interpreten sollte auch in den pandemisch bedingt leiseren Tagen allen Auflagen der Versammlungsstrategen trotzen.
Wenn Goerne nicht auf den großen Opernbühnen der Welt in Wien, München, Berlin, London, Mailand oder New York Strauss- und Wagner-Rollen spielt oder in Bühnenwerken von Bartók, Berg oder Hindemith begeistert, dann gastiert er in zehn Konzerten als „Artist in Residence“ beim New York Philharmonic oder in ähnlicher Intensität in Hamburgs Elbphilharmonie.
Regelmäßig begibt sich der Weltstar aus Weimar in die in Deutschland verwurzelte Liederwelt, bei der dem Bariton zumindest die Sprache für die Scharfrichter-Mentoren Fischer-Dieskau und Schwarzkopf in die Wiege gelegt wurde. „Wortdeutlicher Wohlklang“ wird ihm dafür zu Recht als Etikett angehängt. Dafür wählt er die Pianisten sehr international, arbeitet mit Leif Ove Andsnes, Seong-Jin Cho oder Vikingur Oláfsson – mit Jan Lisiecki nahm er ein Schumann-Album auf. Jetzt besinnt er sich auf seine Starterzeit als Sänger und auf die ehrenvolle Zusammenarbeit mit Alfred Brendel. Für Schumann reist der Österreicher Markus Hinterhäuser an, ein unglaublicher Weichensteller in der Musikszene. Mit Goerne und Schuberts „Winterreise“ bestritt Hinterhäuser 2014 eine Welttournee, die ihren Namen verdiente. Seit 2016 fungiert er als Intendant der Salzburger Festspiele – ein kompetenter Praktiker am Klavier, aber auch ein erfolgreicher Musikmanager. Kurz: ein moderner Universalgelehrter im Kosmos Musik. Und dieser spielt sich längst nicht mehr allein in Noten ab.
Matthias Goerne & Markus Hinterhäuser | Fr 11.2.20 Uhr | Philharmonie Essen | 0201 812 22 00
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