Jerry Siegel hat ihn erdacht, Joe Shuster hat ihn gezeichnet: Superman ist eine Selbstermächtigungsfantasie zweier amerikanischer Juden, die die Figur in den 1930er Jahren erfanden und schon bald für 130 Dollar die Rechte daran verkauften. Eine ökonomisch tragische Geschichte, aber auch eine tolle Geschichte über die frühen Erfolge von Superhelden-Comics. Julian Voloj und Thomas Campi erzählen in „Joe Shuster – Vater der Superhelden“ eine Geschichte über Comicgeschichte – das Aufkommen der Hefte, dem „Comic Code“ und der späten Genugtuung der beiden Superman-Erfinder (Carlsen).
Nach der Arktis und Tschernobyl widmet sich Emmanuel Lepage erneut einem Ort mit extremen Rahmenbedingungen: „Ar-Men – Die Hölle der Höllen“ erzählt anhand des Leuchtturmwärters Germain, der hier in der Einsamkeit seine inneren Dämonen zu bändigen sucht, von dem am weitesten im Atlantik stehendem bretonischen Turm. Lepage webt in diese Geschichte die Geschichte des Leuchtturms ein, anderes Seemannsgarn und weitere historische Ereignisse bis zu dem Moment, als der Turm 1990 automatisiert wurde und von da an ganz alleine mit seinen Geschichten im Meer stand. Ein aufwändig gezeichnetes, bildgewaltiges und emotional dichtes, semi-dokumentarisches Werk (Splitter Verlag). Mit seinen 34 Jahren hat Bastien Vivès schon jetzt ein erstaunlich umfangreiches und vielfältiges Werk vorgelegt, dessen große Klammer die zarte Darstellung von Gefühlen ist. Mit „Eine Schwester“ widmet er sich dem sexuellen Erwachen seines 13-jährigen Protagonisten: Antoine macht mit seinen Eltern und seinem kleinen Bruder Ferien am Meer, als eine Freundin mit ihrer 16-jährigen Tochter zu Besuch kommt. Hélène nimmt Antoine unter ihre Fittiche, und das schließt Körperlichkeit mit ein. Mit eleganten Zeichnungen schafft es Vivès, dass man sich als Erwachsener beim Lesen von Erotikszenen zwischen zwei Jugendlichen nicht komisch vorkommt, sondern neben leichter Erregung vor allem berührt ist (Reprodukt).
Lewis Trondheims „Die Abenteuer von Herrn Hase“ um einen Haufen Pariser Freunde endeten nach zehn Bänden im Jahr 2004 mit dem Tod des Titelhelden. Um den Schock zu verwinden, ging es danach in „Die erstaunlichen Abenteuer ohne Herrn Hase“ mit einigen Figuren weiter. Der erste Band „Die Abenteuer des Universum“ dieses Spin-offs erscheint nun, über zwanzig Jahre nach seinem Entstehen, erstmals auf Deutsch und füllt endlich die Lücke. Neu hingegen sind „Die neuen Abenteuer von Herrn Hase“, deren erster Band „Eine etwas bessere Welt“ 2017 entstand. In einem saloppen Intro wird Hases Tod mit einem Gedankenspiel zu Parallelwelten vom Tisch gefegt und es kann munter weitergehen mit philosophischen Alltagsabenteuern – geistreich, locker und unterhaltsam wie eh und je (Reprodukt). Fast 20 Jahre lang sind Fils Abenteuer von „Didi & Stulle“ in dem Berliner Stadtmagazin Zitty erschienen. Einen würdigen Abschluss fand die Reihe um die beiden Prolo-Schweine mit Berliner Schnauze – den grob geschnitzten Didi und den feinfühligeren, naiven Stulle – in einem opulenten dreibändigen Schuber. Jetzt sind die drei Bände, die alle zwölf Alben plus vielen Extras auf über 750 Seiten versammeln auch einzeln erhältlich. Kleiner Tipp: Nur in kleinen Dosen genießen, sonst könnte der surreale, mal psychologische, mal philosophische Irrsinn psychotische Wirkung entfalten (Reprodukt).
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