Donnerstag, 13. Oktober: Die passenderweise in „Film Festival Cologne“ umbenannte ehemalige „Cologne Conference“ zeichnet auch in diesem Jahr wieder eine bedeutende Filmemacherin für ihr bisheriges Gesamtwerk mit dem „Filmpreis Köln“ aus. Die Wahl fiel in diesem Jahr auf die 1946 in Paris geborene Claire Denis, zu deren Ehren auf dem Festival auch eine Retrospektive ihrer Filme gezeigt wurde. In der Filmpalette am Eigelstein wurde „White Material“ im Original mit englischen Untertiteln vorgeführt, da dieser Film aus dem Jahr 2009 nie einen deutschen Verleih fand. Kinobetreiber Joachim Kühn, der in seinem Verleih Real Fiction aber die Denis-Werke „35 Rum“ und „Les salauds – Dreckskerle“ in die deutschen Kinos brachte, freute sich umso mehr, die Filmemacherin in der Filmpalette zum anschließenden Publikumsgespräch begrüßen zu dürfen. Eine Freude, die auf Gegenseitigkeit beruhte, denn Denis erklärte zu Beginn: „Dieses Kino ist ein sehr spezieller Ort für mich. Ich genieße es jedes Mal, wenn ich dem besonderen Publikum hier einen Film präsentieren darf.“
Mit dem Publikum im ausverkauften Saal entspann sich nach der Projektion mit der Regisseurin deswegen auch wieder ein interessierter Dialog. Claire Denis war darüber hinaus guter Laune, weil kurz zuvor die Nachricht die Runde gemacht hatte, dass Songwriter Bob Dylan den diesjährigen Literaturnobelpreis erhält. „Nachrichten sind in diesen Tagen oft so traurig. Dass Dylan nun mit diesem Preis ausgezeichnet wird, hat mich das aktuelle Elend mal für ein paar Minuten vergessen lassen“, erläuterte die Filmemacherin. Hinsichtlich ihres Films „White Material“ kam man allerdings schnell wieder auf die Schattenseiten des Lebens zu sprechen, da sich Denis im Film mit den Anfängen eines Bürgerkriegs in einem afrikanischen Land auseinandersetzte. Joachim Kühn attestierte, dass es einem westlichen Publikum im Jahr 2016 sicherlich leichter fallen dürfte als sieben Jahre zuvor, als der Film entstand, sich mit der geschilderten Situation zu identifizieren. Gedreht wurde „White Material“ in Kamerun, nur 200 Kilometer von der Grenze zu Nigeria entfernt, wo sich bereits zum Zeitpunkt der Dreharbeiten die islamistische Terrorgruppe Boko Haram auf dem Vormarsch befand. Tatsächlich hatten sich Claire Denis und ihre Drehbuchautorin Marie N’Diaye von den Vorkommnissen an der Elfenbeinküste beeinflussen lassen, die damals für Schlagzeilen sorgten. Die Regisseurin gestand, dass das Drehen seinerzeit nicht einfach war, was aber weder am Land noch an so beeindruckenden Darstellern wie Isabelle Huppert lag. „Dass es so schwierig war, lag an mir selbst, denn ich hatte eine Menge Zweifel, was wirklich sehr schmerzhaft für mich war“, so Denis. Zweifel, dass ihr etwas Wichtiges entgehen könnte oder dass sie die Gesamtsituation nicht so darstellen würde, wie sie es verdient hatte. Wie man ihr beim Gespräch in der Filmpalette versicherte, waren das allerdings unbegründete Vorbehalte.
Die von Huppert verkörperte Figur der Maria glaubt im Film, dass sie sich aufgrund ihrer Hautfarbe keinerlei Sorgen machen muss und sich alles erlauben kann. Trotz dieser Dummheit konnte sie sich der Sympathien ihrer Regisseurin sicher sein, die sie sehr gerne mag, weil sie so fest zu ihren Überzeugungen steht. Auch mit ihrer Darstellerin kam Denis stets gut zurecht: „Isabelle war sozusagen das Herz des Films, sie beschwerte sich nie über etwas.“ Die in Kamerun gecasteten Nebendarsteller hätten hingegen einen ziemlichen Respekt vor der Huppert gehabt, da sie alle eher aus dem Bereich des Amateurtheaters gekommen seien und noch nie vor einer Filmkamera gestanden hätten. Nun an der Seite eines solch großen Stars spielen zu dürfen, sei für viele von ihnen sehr einschüchternd gewesen. Aber Huppert hätte ihnen Mut zugesprochen und ihnen zu verstehen gegeben, dass sie an ihrer Seite sei. Auf Nachfrage erläuterte Denis, dass der Begriff „White Material“ aus der Kreolsprache entstamme und ein geläufiger Ausdruck von Schwarzen für weiße Menschen sei. Gleichzeitig, so die Regisseurin weiter, sei er auch als Deckname für Elfenbein benutzt worden, um das illegale Gut heimlich durch den Zoll zu schmuggeln.
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