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Kein Selfie, aber trotzdem okayer Schnappschuss: Veedel Kaztro
Foto: Melting Pot Music

Slacker-Selfie auf Vinyl

26. Juni 2014

Die tolle Debüt-LP von Veedel Kaztro – Popkultur in NRW 07/14

OK, geben wir es zu. Es ist WM und alle haben kapituliert. Kein Wirt will gegen Halb- und Viertelfinale antreten, kein DJ mit der schief gesungenen Nationalhymne konkurrieren, egal ob diese Pflicht oder Kür ist. Also bleiben Verstärker und Plattenspieler ausgeschaltet. Klar, es gibt die WM-kompatiblen Musikveranstaltungen, etwa im Kölner Club Bahnhof Ehrenfeld, wo man nicht nur was über die ganzen Widersprüche des modernen Brasiliens erfährt, sondern auch noch ein paar thematisch ausgewählte Platten hören kann. Und muss ich die Summerstage am Tanzbrunnen (12.7.) erwähnen? Dort tritt neben Sergio Mendes, dem Grandseigneur des Brasilien-Pop, auch noch der MC Emicida auf, dessen Raps das „CNN der Favelas“ sind. Oder das Buzzfeed oder was auch immer man heute als Update für diese Metapher von HipHop als Gegenöffentlichkeit aufspielen würde.

Wem solche Wortfindungsprobleme herzlich egal sein dürften, ist der Kölner MC Veedel Kaztro. Das liegt natürlich daran, dass er dann ja auch irgendwie im falschen Job wäre. Ist aber auch eine Frage der Haltung. „Hip-Hop ist mein Opa, aber ich rufe ihn niemals an. Denn er meckert nur“, rappt der junge Mann auf seiner ersten Langspielplatte, der „Büdchen-LP“. Wobei das natürlich gelogen ist. Denn es ist ja nicht so, als hätte sich der 23-jährige MC nicht durch ordentlich Plattenkisten und Mixtapes gewühlt, bevor er seine Reime in die Tastatur gehackt hat. Es ist nur so, dass es ihn nicht so wirklich interessiert. „Veedel K. kann alles, aber hat keinen Bock, es zu machen“ – beim Durchhören der relaxten Reime auf der Büdchen-LP glaubt man das aufs Wort. Von Abhängen ist da viel die Rede, vom Verlustgeschäft Nachwuchs-HipHop und davon, dass man lieber in der Zülpicher Straße rumhängt, anstatt etwas Anständiges aus seinem Leben zu machen. Trotz alledem pflegt der junge MC nicht die Todsünde aller faulen MCs: die Denkfaulheit.

Stattdessen ist ihm etwas gelungen, was im deutschen HipHop selten geworden ist. Veedel Kaztro macht Indie-HipHop, aber keinen HipHop für Indiekids. Die werden in ihren Selbstzweifeln von Casper an die Hand genommen und in der Sorglosigkeit von Cro. Für Veedel Kaztro ist Indie aber zuerst ein ästhetisches Universum, eine Referenzhölle, in der es sich dank Hamburger Schule und 90er Grunge eigentlich ganz gut leben lässt. Aber um die Referenzen zu spotten, muss man halt durch eine Menge Reime und Beats waten und die Erlösung durch den Refrain wie bei Everybody’s Darling Casper wird sich auch dann nicht einstellen. Dass diese Spurensuche trotzdem Spaß macht, daran ist Twit One, der Produzent von Veedel Kaztro, nicht ganz unschuldig. Er webt Soulsamples in veredelte Beats, die mal an Backpacker-HipHop, mal an die schönsten Vocal-Loops von RZA oder den frühen Alben von Kanye West erinnern. Aber auch hier wird das Auskennertum nicht offen vor sich hergetragen, sondern der hohen Kunst der tiefen Schläge untergeordnet. Zu diesen Beats ist Kopfnicken erste Bürgerpflicht.

„Büdchen-LP“ ist der Selfie eines Role Models, das selten geworden ist: eines Slackers. Mit Kopfhörern wird Veedel Kaztro wohl keine Milliarden mehr scheffeln in diesem Leben. Aber anders als Dr. Dre hat er dieses Jahr zumindest eine Platte rausgebracht. Und was für eine.

Veedel Kaztro: „Büdchen LP“ | Melting Pot Music
www.soundcloud.com/veedel-kaztro

Christian Werthschule

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