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Foto: Jan Dybla

Sozialistische Rothäute

05. Februar 2011

In Mülheim wirbelt „Deutscher Propeller“ - Theater in NRW 02/11

Es ist alles eine Frage der Interpretation. Als sich in den frühen 1950er Jahren Indianeranhänger in der DDR zu organisieren begannen, wurden sie einer vernichtenden Kritik unterzogen. Kaum hatte man die Geschichte der nordamerikanischen Rothäute jedoch als antiimperialistischen Kampf deklariert, erfolgte umgehend das kulturpolitische Placet. Und so trafen sich die Enthusiasten von Tomahawk und Tipi regelmäßig in Vereinen – streng beobachtet von Stasiscouts, versteht sich. Dass die Indianisten, wie sie sich nannten, dabei eher ihrer Sehnsucht nach der Fremde oder einer ökologischen Naturbegeisterung frönten, tat der öffentlichen Unterstützung keinen Abbruch. Diese abstruse Fußnote der DDR-Geschichte gibt die Folie ab für die Produktion „Deutscher Propeller“ der experimentellen Gruppe realtime research.

Das Projekt entstand auf Initiative des Kölner Jazztrompeters Matthias Mainz, der seit Jahren mit Choreographen, Videokünstlern oder Schriftstellern spartenübergreifende Projekte realisiert. Nach einer erfolgreichen Zusammenarbeit mit Wilhelm Bartsch bat er den Hallenser Autor um weitere vertonbare Texte. Die Antwort bestand, so Mainz im Gespräch, in einigen Haikus und dem dreiseitigen Abstrakt einer Kurzgeschichte. Zusammen mit dem Dramaturgen Jochen Kiefer entwickelte das Trio daraus ein collageartiges Stück zwischen indianistischer DDR-Vergangenheit und Neonazigegenwart in der thüringischen Provinz.

Im Zentrum steht die Ex-Punkerin Cora. Sie hat sich ein linksdrehendes Hakenkreuz auf die Hüfte tätowieren lassen, ein Symbol der Dakota-Indianer, in dem Erinnerung an und Protest gegen ihre indianistischen Eltern gleichermaßen mitschwingen. Cora gerät in eine tödlich endende Liebesgeschichte mit dem Neonazi Konnan, der ein Taxiunternehmen betreibt, und dem Gelegenheitsarbeiter und Hofbesitzer Swen-Maik. Die Erinnerung an die indianistische Sehnsucht nach dem edlen Wilden und Fremden in der DDR überlagert sich mit dem Ressentiment gegen alles Fremde der rechtsradikalen Subkultur.

Die Geschichte wird aus der Perspektive der jungen Frau erzählt, die alle Figuren aus ihrer Erinnerung heraufbeschwört: die Geister, die man ruft ... Dokumentarische Texte wechseln sich dabei ab mit epischen und lyrischen. Der Reiz , erzählt Komponist Matthias Mainz, bestand darin, die Ebenen von Vergangenheit und Gegenwart, von Spiel im Spiel in der Inszenierung von Rabea Kiel wie in der Musik wahrnehmbar zu machen. Er produzierte ein Einspielband mit vierstimmigen Bläsersätzen, die über Lautsprecher in die Szene als musikalische Widergänger eingespeist werden. Dazu treten mit dem Schlagzeuger Frank Köllges, dem


Gitarristen Serge Corteyn und Mainz selbst an der Trompete drei Livemusiker, die mit dem Einspielband in Dialog treten, als musikalischer Chor fungieren und die Texte der drei Schauspieler untermalen.

„Deutscher Propeller“ von realtime research I R: Rabea Kiel I Ringlokschuppen Mülheim I 4./5.2., 19.30 Uhr I 0208 99 31 60 www.ringlokschuppen.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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