Köln rühmt sich, die größte Freie Szene in NRW zu haben. Doch das gilt nur quantitativ. Weder verfügt die Stadt über ein angemessenes Produktionshaus noch über ausreichend große und variable Spielstätten. Auch die überregionale Ausstrahlung der Gruppen und Häuser lässt zu wünschen übrig. Doch jetzt entwickelte die Stadt eine Idee …
Seit November vergangenen Jahres hat das Freie Werkstatt Theater (FWT) in Köln eine neue Leitung: Inken Kautter und Gerhard Seidel traten als Nachfolger von Ingrid Berzau und Dieter Scholz an, die das Theater über dreißig Jahre geleitet hatten. Doch das Duo war nur ein paar Tage im Amt, da kam auch schon der Anruf des Kölner Kulturamtes und eine Einladung zum Gespräch. Den beiden schwante nichts Gutes, und sie behielten Recht: Die Kulturverwaltung trägt sich mit dem Gedanken, das FWT mit seinen zwei kleinen Guckkastenbühnen und die variable Spielstätte der Orangerie zu einem Produktionshaus zu fusionieren. Möglich wäre das, weil die Stadt Eigentümerin der Immobilien ist und in beide bereits erheblich Mittel investiert hat – und noch investieren muss.
Eine Überraschung, die das Duo Kautter/Seidel erst einmal verdauen musste, sind die beiden doch gerade erst dabei, dem FWT neue Konturen zu verpassen. „Wir positionieren uns deutlich politischer“, sagt Gerhard Seidel. Rechercheprojekte wie ein Abend über Sicherheitsverwahrung oder jetzt das Stück „Deutlich weniger Tote“ über Auslandseinsätze und neue deutsche Kriege stehen dafür. Bisher hat sich das Haus vor allem mit Literaturdramatisierungen einen Namen gemacht. Die soll es auch weiterhin geben, aber mit klareren Akzenten. Mit den neuen Projekten ist auch eine junge Regiegeneration wie Nico Dietrich, Judith Kriebel oder Michael Mertins angetreten. Dass man damit auf ein jüngeres Publikum zielt, ist offensichtlich.
Das Kölner Kulturamt war über den stillschweigenden Intendanzwechsel stinksauer. Insofern kann man auch sagen, dass das Duo zum Rapport einbestellt wurde. Wer die Musik bezahlt, möchte schließlich auch dabei sein, wenn die neue Kapelle ausgesucht wird. Überrascht war auch der Leiter der Orangerie Marco Berger, der allerdings zunächst einmal den Ball flach hält: „Für Kooperationen bin ich offen, die Fusion wäre dann ein zweiter Schritt“. Er möchte erst einmal die Pläne der Stadt genauer kennenlernen. Man kann ja auch Intendant beider Häuser werden. Bei der Orangerie sind die Probleme allerdings komplizierter: Das frühere preußische Pulvermagazin, das später als Dienstvilla des Kölner Gartenbaudirektors, dann nach Kriegsbeschädigungen als Kübelpflanzendepot diente, ist marode und im Winter nicht bespielbar. Das Gebäude wird vom Grünflächenamt verwaltet; das möchte allerdings die notwendigen 1,5 Millionen Euro Sanierungskosten nicht aufbringen, nur damit die Kultur eine neue Spielwiese hat. Doch will man die Bühne, die für den Tanz große Bedeutung hat, erhalten, muss die Stadt etwas tun – auch wenn sie pleite ist. Nur zum Vergleich: Die Sanierung der Kölner Bühnen kostet 250 Mio. Euro, da sollten 0,68 Prozent für die Freie Szene drin sein.
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