Manchmal werden Wünsche sofort erfüllt. Bei der Bilanz-Pressekonferenz der Ruhrfestspiele im Sommer 2014 hatte Leiter Frank Hoffmann den kleinen Satz: „Ich hätte definitiv Lust weiterzumachen“, fallen gelassen. Auf diesen Satz hatte der Aufsichtsrat des Festivals auf dem grünen Hügel im Ruhrgebiet offenbar nur gewartet. Man respektierte die obligate Schamfrist, um dann mit der Bescherung ins Haus zu fallen: Kurz vor Weihnachten wurde der Vertrag mit Hoffmann um weitere drei Jahre bis 2018 verlängert. Die Frage der „Ära“ ist geklärt. Sie erhält damit die amtliche Beglaubigung. Hoffmann wird den legendären Hansgünther Heyme um ein Jahr überrunden und dann 14 Jahre Chef der Ruhrfestspiele gewesen sein. Der Schüler hat alles richtig gemacht: Es war Heyme, der 2004 nach dem Rauswurf von Frank Castorf die Inthronisation von Frank Hoffmann vorbereitet hatte.
Der geborene Luxemburger galt nach außen zunächst als Mann des Interims, der das Castorfsche Defizit abzutragen und nach der Verzahnung mit der Ruhrtriennale die neue Selbständigkeit zu füllen hatte. Vom regierende Oberbürgermeister der Kommune bekam er damals die Quadratur des Kreises als Aufgabe mit auf den Weg: „Die Ruhrfestspiele müssen Raum für Innovation und Provokation bieten. Künftige Programme sollten allerdings auch auf die Menschen in Recklinghausen und die Region Rücksicht nehmen.“ Kümmern und Rücksicht standen nach Castorfs Berlin-Arroganz hoch im Kurs. Hoffmann hat diese Aufgabe klaglos bewältigt, auch wenn er darüber bei der Theaterkritik zum Mann des klassischen „Ja, aber“ wurde. Die jährlich übertroffenen Zuschauerrekorde und Einspielergebnisse nötigten Respekt ab, der programmatische Gemischtwarenladen aus Schauspiel, Kabarett oder Liederabend, das Engagement von Stars wie Kevin Spacey oder Isabelle Huppert und die konservative Ästhetik mancher Inszenierung rief Genörgel hervor. Hoffmann ließ sich prügeln, ließ sich verreißen – und ging einfach weiter seinen Weg.
Es ist schwer zu sagen, ob der Chef der Ruhrfestspiele wirklich der nette Herr Hoffmann aus Luxemburg ist oder doch eher der Theatermacher, der dem Lächelfirnis zum Trotz stur seinem Weg folgt. In Luxemburg hat er mit dieser Mischung aus Beharrlichkeit und Verbindlichkeit 1996 das Staatstheater „Théâtre National de Luxembourg“ aus dem Boden gestampft. Bei den Ruhrfestspielen standen bereits nach wenigen Jahren die Flaggschiffe des deutschen Stadttheaters von Berlin bis München auf der Matte und zeigten Klassiker und Uraufführungen als Premieren – inszeniert vom Who-is-Who des zeitgenössischen Regietheaters. Und daneben stehen eben Comedy, Pop-Konzert und Nouveau Cirque. Inzwischen sieht man oft den Wald vor lauter Programm-Bäumen nicht mehr, aber zum Festival gehört auch die Überforderung. Frank Hoffmann hat es schließlich auch geschafft, dem Publikum allmählich fremdsprachige Inszenierungen unterzujubeln. Mal garniert mit internationalen Stars, mal nicht. Für die kommende Ausgabe hat er in der Recklinghäuser Zeitung schon mal angekündigt: „Das Festival 2015 wird noch internationaler.“ Überraschen kann uns das jetzt auch nicht mehr.
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