Unser Krisenbewusstsein leidet unter Überzuckerung. Eigentlich sollte es uns schlecht gehen angesichts des demographischen Wandels, von Verschuldung und erodierender Sozialsysteme. Doch da es den anderen noch viel schlechter geht als uns und wir Exporteuropameister sowie Energiewendehals sind und Facharbeiter aus Nachbarstaaten abziehen, gibt’s eigentlich wenig zu meckern. Natürlich kann alles noch viel besser werden, gerade in NRW. Deshalb wurde vor kurzem die Zukunftsakademie NRW (ZAK) ins Leben gerufen. Die Gründung zog sich zwar fast zwei Jahre hin, doch inzwischen ist das neue Baby in trockenen Tüchern und am 7. Dezember wird offiziell Eröffnung gefeiert. Noch residiert Geschäftsführer Timo Köster in Düsseldorf, mit der Eröffnung steht aber auch der Umzug in die neuen Räume in der Bochumer Humboldtstraße an.
Angesichts zahlreicher Einrichtungen wie dem Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen, den Instituten für Zukunftsstudien oder fürLandes- und Stadtentwicklungsforschung in Dortmund stellt sich allerdings die Frage nach dem Warum einer solchen Akademie. Timo Köster,der zuvor das Projektbüro für Frieden und Interkultur in Augsburg geleitet hat,sieht das ZAK nicht in Konkurrenz zu anderen Instituten, sondern eher als Ergänzung und als Partner. Mit den Fragen zur Zukunft der Stadtgesellschaft, zum demographischen Wandel und zur Kulturellen Bildung kommen Herausforderungen auf die Gesellschaft zu, die nicht von einzelnen Instituten allein, sondern nur interdisziplinär zu beschreiben und zu gestalten sind, so Timo Köster. Als Beispiel nennt der 38jährige das „Audience Development“, sprich: die Öffnung großer Kulturinstitutionen für migrantische Besucher. Auf der Basis einer Untersuchung der Hildesheimer Professorin Birgit Mandel, die sieben Theater und Museen in NRW nach ihren Besucherstrategien befragt hat, sollen nun mit Hilfe der ZAK ein Leitfaden entwickelt, eine Tagung ausgerichtet und europäische Erfahrungen nutzbar gemacht werden.
Ein weiteres Thema, so Timo Köster, sei die deutsche Migrationsgeschichte, die noch lange nicht aufgearbeitet sei und die zum Beispiel in Ausstellungen bewusst gemacht werden könne. Die ZAK, dievom Land NRW, der Stiftung Mercator, der Stadt Bochum und dem Bochumer Schauspielhaus mit zusammen 500 000 Euro unterstützt wird, soll dabei als eine Art Netzwerker fungieren, der verschiedene Akteure miteinander in Beziehung bringt. Bezugspunkt ist dabei zwar das kulturell-künstlerische Spielfeld, an das sich aber Wissenschaftler und Fachleute anderer Disziplinen andocken sollen.
Eigentlich ist die ZAK ein Projekt, das stark auf die Initiative des früheren Bochumer Chefdramaturgen Thomas Laue zurückgeht. Die zahlreichen Stadtraum-Projekte des Schauspielhauses und zuvor des Essener Grillotheaters mit Migranten, mit älteren Menschen, mit einer Gruppe wie „raumlabor“ standen hier Pate. Diese künstlerischen Ansätze wird die ZAK als Labor und Thinktank auf einer Forschungsschiene und als Qualifizierungsstelle auf der Ebene der Weiterbildung weiter vorantreiben.
Zukunftsakademie NRW I Eröffnung: 7.12. 17 Uhr I Bochumer Schauspielhaus/Kammerspiele
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