Kölns renommiertes Theater der Keller soll mit dem Theater im Bauturm fusionieren, das ist seit Monaten bekannt. Doch noch bevor der Zusammenschluss steht, wurde jetzt schon einmal dem amtierenden Intendanten Hanfried Schüttler der Stuhl vor die Tür gesetzt. Wie bekannt wurde, hat der Trägerverein des „Keller“ unter Führung von Ulrich Wackerhagen den Vertrag des seit 2006 amtierenden Theaterchefs zum Ende der laufenden Spielzeit gekündigt. Schüttler, der derzeit eine Knef-Revue probt, geht jedoch von einer mündlichen Vertragsverlängerung bis 2012 aus und hat inzwischen einen Rechtsanwalt eingeschaltet. Zu den Vorgängen möchte er sich nicht äußern.
Für Wackerhagen ist die Kündigung eine Folge der seit Monaten andauernden Verhandlungen über die Fusion mit dem Theater im Bauturm. Es könne nur einen Häuptling geben, sagt Wackerhagen lapidar und kann keine rechtlichen Verstöße erkennen. Der Vertrag sei über die dreijährige Laufzeit hinaus nicht verlängert worden, eine schriftliche Vereinbarung über die weitere Zusammenarbeit gebe es nicht. Damit dürfte klar sein, dass der Leiter des Theater im Bauturm Gerhard Haag als neuer Chef des Fusionstheaters vorgesehen ist.
Das angestrebte Bündnis ähnelt jedoch eher einer Zwangsehe. Das Theater der Keller ist durch hohe Mietforderungen für die Spielstätte in der Kleingedankstraße (aus der das Theater bis zum 31.7.2012 ausziehen muss) angesiedelt, Abstimmungsprobleme beim Wechsel von Schüttler und seinem Vorgänger Zanger sowie Missgriffe bei der Spielplangestaltung tief in die roten Zahlen gerutscht. „Wir sind überschuldet“, gibt Wackerhagen unumwunden zu. Die Stadt habe „ultimativ“ ein Sanierungskonzept angemahnt.
Im Kulturamt drängt man schon länger auf einen Zusammenschluss, gerade auch in Hinblick auf die Neuverteilung der langfristigen Konzeptionsförderung der freien Theater ab Januar 2011. Das als Partner umworbene Theater im Bauturm bleibt zurückhaltend. „Noch gibt es weder ein zeitliches, personelles oder räumliches Szenario, das belastbar wäre“, sagt dessen Intendant Gerhard Haag und fordert eine klare Positionierung der Stadt sowie die Lösung der Schuldenkrise des „Keller“. Er möchte eine Fusion auf „Augenhöhe“ und keine freundliche bzw. feindliche Übernahme. Für das eigene Haus sieht Haag Klärungsbedarf vor allem bei der Frage des zu erwartenden „künstlerischen Mehrwerts“ – auch wenn er die dem Keller angegliederte Schauspielschule für sehr spannend hält. Der Hoffnung auf Synergieeffekten erteilt er gleich eine Absage. Mit anderen Worten: Einsparungen wird es nicht geben. Ob sich durch eine derartige Fusion die strukturelle Unterfinanzierung der Kölner freien Szene, die viel zu kleinen Spielstätten sowie der Zwang zu hoher Auslastung und populistischen Stücken lösen lässt, scheint jedoch fraglich. Im Darwinjahr gilt derzeit offenbar eher das Prinzip „Survival of the fittest“.
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