Wie bei ihrem letzten Programm „Durchstarten“ eröffneten Fritz und Hermann auch bei „Oberwasser“ den Abend mit einer Version von „The Final Countdown“, begleitet von hämmernden Klavierklängen. An der Scheußlichkeit dieses 80er-Jahre-Bombastrock-Hits hat sich nichts geändert, wohl aber etwas an seiner Dringlichkeit: „It’s the Final Countdown / Da kann man nur noch draufhau’n“. Krisen und Kriege allüberall, weshalb „Oberwasser“ nun auch als „erstes Kriegsprogramm in diesem Jahrtausend“ daherkommt. Dem Krieg in Afghanistan, der so nicht heißen darf, können die beiden Haudegen nichts abgewinnen. Die Bundeswehr sei so schlecht ausgestattet, dass die Soldaten bei Manöverübungen schon seit Jahren „Bummbumm“ und „Pengpeng“ rufen müssten statt Übungsmunition zu verwenden. Der Auftrag in Afghanistan laute wohl „Brunnen bohren – und warten, bis der Feind reinfällt“. Fritz & Hermann empfehlen, stattdessen ein paar Fernsehshows am Hindukusch zu drehen, etwa ein „Kochduell an der Front“ mit der Folge „Kampf bis auf Messers Schneide“.
In ihren vergnüglichen außenpolitischen Analysen streiften die zwei geschichtskundigen Weltversteher auch die aktuelle Griechenlandkrise. Fritz Litzmanns Kommentar dazu: „Das nehme ich den Griechen wirklich übel, dass ich mich jetzt mit Merkel solidarisieren muss.“ Von den klugen Philosophen früherer Zeiten wie Diogenes sei anscheinend nichts übrig geblieben. Der habe es noch richtig gemacht: „Trinken – und dann Nachdenken!“ Und dann sei auch noch Pythagoras dazu gekommen und habe aus dem Deckel ein Dreieck gemacht … Die beiden rheinischen Vereinsphilosophen verstehen sich nach wie vor darauf, in (scheinbarer) Komplexität einen (absurd-)komischen Kern zu finden, Dinge zu veranschaulichen und auf den Punkt zu bringen. Gelegentlich auch in Liedform und gerne mal in klarer Sprache. So sangen sie im Anschluss an ihre Eurokrisenbetrachtung zur Melodie von Billy Joels „We Didn’t Start the Fire“: „Das geht uns auf die Eier / Und das ganze Pack / geht uns so auf den Sack“
Untenrum-Perspektiven
Im Bild beziehungsweise unter der Gürtellinie blieb Rainer Pause auch beim ersten Fritz-Litzmann-Solo, in dem er sich die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche vornahm und die zum Zölibat Verdammten mit Abhängigen auf Entzug verglich. Litzmann hatte einen drastischen Vorschlag zur Lösung des Dilemmas parat. Wer das Gelübde einhalten wolle, brauche sein Geschlechtsteil ja faktisch nicht mehr, also: „Fott damit!“ Auch Norbert Alichs darauf folgende Schwaderlappen-Solonummer streifte das Untenrum-Thema, allerdings aus einer etwas anderen Perspektive: „In unserem Alter ist Sex die Gelegenheit, sich tagsüber noch mal hinzulegen.“
Genetische Verwandtschaften
Gemeinsam – und wie gewohnt auch manchmal gegeneinander – nahm man sich dann der innenpolitischen Themen und Debatten der letzten Zeit an, nicht ohne weitere mehr oder weniger haarsträubende Schlenker zur Menschheitsgeschichte im Allgemeinen zu unternehmen. Demnach ist das Wandern nicht nur des Müllers, sondern auch des Afrikaners Lust, folgt man Fritz Litzmanns Argumentation: „Die besten Rennläufer sind immer Schwarze!“ Und schließlich liege ja die Wiege der Menschheit in Afrika, woraus sich logisch ergibt, dass wir alle Migranten sind. Dann auch noch die Verwandtschaft zwischen Amöbe und Mensch … Fritz und Hermann nutzten die Gelegenheit zu einer satirischen Veralberung der „Lehren“ des bekannten Hobby-Genetikers Dr. Sarrazin. Und gaben ihm angesichts seiner neuesten Schote – Sarrazin wollte in Berlin in einem türkischen Restaurant essen gehen und wurde vom Besitzer prompt abgewiesen – den Rat, doch einmal mit einem Schild „Der Türke ist blöd“ durch Neukölln zu laufen. Dann würde er schon zu spüren bekommen: „Die können ja lesen!“
Ein weiteres Sachgebiet musste unbedingt an einem schlagenden Beispiel erläutert werden: Die nach Fukushima drohende „Ökodiktatur“. Wenn dadurch Stromausfälle an der Tagesordnung seien, könne seine Patientenverfügung schneller zum Tragen können, als ihm lieb sei, mutmaßte Fritz Litzmann. Die Vorstellung, auf der Intensivstation an Geräte angeschlossen zu sein, für deren Stromversorgung der auf dem Ergometer strampelnde Hermann Schwaderlappen zuständig wäre, ist wahrlich nicht vertrauenerweckend … da wäre es doch besser, wenn man wie einige Spezies in Evolutionsurzeiten den Landweg verlassen könnte: „Die sind ins Meer gegangen und Wale geworden.“
Ein revolutionärer Entsorgungsvorschlag
Bei der Ursachenforschung für die Luftverschmutzung konnten sich die beiden Experten für Alles nicht einigen. Schwaderlappen verdächtigte seinen Kompagnon Litzmann („latscht ständig mit Schuhgröße 48½ durch Bonn“) des Staub Aufwirbelns, Litzmann machte die Damenwelt verantwortlich („gehen ständig shoppen und laufen kreuz und quer, weil sie sich nicht entscheiden können“). Absolut zwingend dann wieder ihre gemeinsame Expertise zu den zahlreichen Vulkanausbrüchen der letzten Zeit. Man müsse einfach nur am Antipodenpunkt in Thüringen, das sowieso „löchrig“ sei – „Thüringen wartet darauf zu verschwinden“ – , den ganzen Staub, Schmutz und Müll verklappen, einmal durch die Erdkugel schicken und dann via Vulkanausbruch am anderen Ende der Welt entsorgen: „Da rein, da raus!“
Darauf, dass ihr zum Abschluss gesungenes „Terrrrorrismus-Po-Popouri“ (Fritz Litzmanns notorische Schwierigkeiten mit der Aussprache von Fremdwörtern) an diesem Freitag, 22. Juli, unerwartete Aktualität erhalten hatte, hätten die Kabarettisten wohl auch verzichten können. Wer weiß, was dieses mit Krisen prall gefüllte Jahr ohne erkennbares Sommerloch noch an Stoff bringt. Das können Fritz und Hermann dann ab November als „Sitzungspräsidenten“ der „Pink Punk Pantheon“-Revue zusammen mit ihren Gästen satirisch abarbeiten.
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