Sonntag, 29. Juli: Christian Vogel freute sich, im Cinenova-Kino in Köln-Ehrenfeld zur Preview seines Filmes „Egal was kommt“ im Publikum viele bekannte Gesichter zu entdecken. Schließlich habe er in der Nähe studiert, was diesen Umstand erkläre. Obwohl er selbst im Alleingang für Regie, Produktion und Kamera seines Films verantwortlich zeichnet und sich selbst auch häufig im Bild eingefangen hat, betonte er vor der Projektion des Films, dass es sich hier trotzdem um eine Gemeinschaftsarbeit handele, so dass es der Film von „bestimmt einem Dutzend Menschen“ sei. Für Vogel war es schon von Jugend an ein Traum, einmal mit dem Motorrad alleine die Welt zu umrunden. Als es schließlich im Jahr 2015 tatsächlich so weit war, Vogel seinen Job und seine Wohnung gekündigt hatte und sich von Frankfurt am Main aus auf den Weg machte, stand noch gar nicht so recht fest, dass am Ende daraus ein Kinofilm werden würde. Der Journalist hatte nach eigenem Bekunden das „Problem vieler Fernsehmenschen, die einfach nicht aus ihrer Haut kommen“. Obwohl der Trip als Auszeit gedacht war, war die Kamera von Anfang an dabei, da Vogel nicht wusste, wie er die Geschichte ohne Kamera erzählen könne.
So hielt er bei allem, was er rund um den Globus erlebte, immer die Kamera und die GoPro drauf, filmte auch dann, wenn es eigentlich gar nicht erlaubt war. Beispielsweise bei seiner Durchquerung Chinas, für die ihm ein Aufpasser zur Seite gestellt wurde, ohne den er keinen einzigen Schritt unternehmen durfte. Fotos zu machen wäre in den meisten Fällen okay gewesen, deswegen benutzte Christian Vogel eine Kamera, die wie ein Fotoapparat aussah. Seine GoPro war dermaßen dreckig und verklebt, dass er sie oftmals einfach mitlaufen ließ, ohne dass sein Gegenüber davon etwas bemerkte. Wahrscheinlich hätte er großen Ärger bekommen, wenn das herausgekommen wäre, aber in Köln meinte der Filmemacher lapidar: „Ich hatte in der Hinsicht einfach viel Schwein.“ Erst ein halbes Jahr, nachdem er wieder in Deutschland gelandet war, formte sich schließlich die Idee, mehr mit dem Material zu machen und daraus vielleicht sogar einen Dokumentarfilm fürs Kino zu zimmern. Vogel sah sich dabei einem Rohmaterialwust von 650 Stunden gegenüber, den er schließlich stets nach Feierabend sichtete und deswegen schon wenige Tage nach seiner selbstverordneten Auszeit wieder in Arbeit erstickte, obwohl er viel lieber einfach wieder auf sein Motorrad gestiegen und auf eine neue Tour aufgebrochen wäre. Auch jetzt sei an eine zweite Weltreise noch lange nicht zu denken, weil der Kinostart von „Egal was kommt“ und die damit einhergehende Premierentour den Weltenbummler zeitlich geradezu überfahre.
Beim Publikumsgespräch in Köln erläuterte Christian Vogel, dass er sein rund 300 Kilogramm schweres Motorrad, mit dem er auch nach Ehrenfeld angereist war, für eine weitere Weltreise wohl nicht mehr verwenden würde. Im Film sieht man mehrfach seine Anstrengungen, das umgefallene Gefährt alleine wieder hochzuhieven. Deswegen käme beim nächsten Mal nur eine leichtere Maschine in Frage. Ganz bewusst hatte sich Vogel allerdings für die Idee des Alleinreisens entschieden: „Ich wollte nicht im Kollektiv reisen, weil ich keine Lust auf Diskussionen hatte. Stattdessen wollte ich aus meiner Komfortzone heraus und mich alleine dieser Herausforderung stellen. Ein zweites Mal brauche ich so etwas jedoch nicht“. Die Gesamtkosten für seine Reise, exklusive der außerplanmäßig angefallenen Reparaturkosten in Indien, die in seinem Film einen breiten Raum einnehmen, hätten rund 20.000 Euro betragen. Vier Reifensätze hätte er bei den insgesamt gefahrenen 55.000 Kilometern verbraucht und war nicht nur bei seinem Unfall in Indien der Verzweiflung nahe. Schon die eine Woche Nonstop-Regen in den USA und die Rippenbrüche, die er sich in der Mongolei zuzog, hätten an den Nerven gezerrt. „Das war dann einfach nicht mehr cool oder witzig“, so der Filmemacher. Auf Nachfrage aus dem Publikum, was ihn an der Reise am meisten beeindruckt habe, fiel Vogel die Antwort nicht schwer: „Ich würde sofort wieder nach Pakistan reisen. Über das Land hatte ich im Vorfeld die meisten Bedenken, glaubte, dass dort viele Taliban-Unterstützer leben. Aber schon in der ersten Minute im Land wurde ich eines Besseren belehrt, als mich ein Typ im Militäranzug hinter der Grenze in den Arm nahm und sagte ‚Welcome to Pakistan‘.“ Am 2. August ist der reguläre Kinostart von „Egal was kommt“, im Cinenova ist er beispielsweise am 9. August auch noch zusätzlich im Open Air Kino zu sehen.
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