Was lange währt, wird endlich gut. So sagt man, aber was ist, wenn nach langer Warterei doch nichts Brauchbares entsteht? Dann ist die Enttäuschung doppelt groß. Von Hoffnung über Zorn und Resignation und wieder zurück bewegte sich seit Mitte der Neunziger Jahre die Stimmungslage der Kölner Tanzszene, die immerhin fast die Hälfte aller Tanzschaffenden in Nordrhein-Westfalen beherbergt, aber nur klägliche Aufführungsmöglichkeiten zur Verfügung hat. Ein Tanzhaus hat man sich ersehnt, Düsseldorf zeigt, wie fruchtbar eine solche Institution für die Tanzkunst sein kann. Als der neue Kulturamtsleiter Konrad Schmidt-Werthern in Köln seine Arbeit begann, hat er sich mit rastlosem Engagement auf die Suche nach einem geeigneten Objekt für ein solches Haus gemacht. Manches Mal war man nahe daran, eine Heimat für den Tanz zu finden, immer wieder platzten die Träume.
Jetzt wurde in Mülheim an der Schanzenstraße eine gut erhaltene Doppelhalle ausgeguckt, die nach einigen Um- und Einbauten ein gutes Refugium für die Produktion von Bühnentanz sein könnte. Zwei Säle, einer für Aufführungen, der andere als Probebühne. Aber sieht so ein Tanzhaus aus? Immerhin gäbe es dann in Zukunft einen Ort, an dem Tanzproduktionen adäquat präsentiert werden können. Aber ist das dann ein Tanzhaus? Kölns Freier Szene soll dort nicht mehr als ein Drittel der Spielzeit zur Verfügung stehen. Künstlerisch arrivierte Residenzgruppen sollen zudem ständig hier arbeiten können. Dazu muss man wissen, dass eine Produktion ja nicht alleine Raum für die Spieltermine, sondern auch für die wochenlange Vorbereitungszeit benötigt. Außerdem bringt eine solche Halle nur einen Qualitätsgewinn für die Szene, wenn die Kölner Gruppen mit ihr Teil eines internationalen Netzwerks werden können, das ihnen ermöglicht, fremde Truppen ebenso nach Köln einzuladen, wie sie auch bei diesen im Ausland zu Gast sind.
Das alles klingt, als übe man in Mülheim die Quadratur des Kreises. Die soll dem noch zu findenden Betreiber der Halle gelingen, der nicht alleine die Ansprüche der Tanzszene zu erfüllen hat, sondern die Halle auch an das schwierige Umfeld in Mülheim anbinden muss. Das besteht aus Medienleuten, Besuchern der Harald Schmidt Show, dem Opernpublikum im Paladium und den türkischen Nachbarn auf der Keupstraße. Nicht vergessen sollte er, auch ein bisschen Geld damit zu verdienen. Wobei es ihm angesichts des Zuschnitts der Halle nicht leicht fallen dürfte, diese auch einmal für kommerzielle Gelegenheiten zu vermieten. Eine Gastronomie wäre ebenfalls nicht schlecht, wenn das Tanzpublikum schon den Weg ins kulturell eher schwach strukturierte Mülheim auf sich nimmt. Irgendwie überzeugt das Ganze nicht so recht. Und möglicherweise bedeutet diese kleine Lösung dann das endgültige Aus für alle Träume von einem Kölner Tanzhaus.
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