Freitag, 12. April: Das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund | Köln findet in diesem Jahr turnusgemäß wieder in Dortmund statt. Gleichwohl werden einige Highlights nichtsdestotrotz auch 2019 in der Domstadt präsentiert. Nachdem der auf der DOK-Leipzig 2018 uraufgeführte Film „In Search…“ der Kenianerin Beryl Magoko am Donnerstag in Dortmund seine NRW-Premiere feierte, stand einen Tag später im Filmforum NRW im Museum Ludwig die Köln-Premiere auf dem Programm. Die 1984 geborene Filmemacherin, die zunächst an der Kampala Universität in Uganda studiert hatte, sorgte schon mit ihrem damaligen Abschlussfilm „The Cut“ 2012 international für Aufsehen. Magoko hatte sich darin der oft totgeschwiegenen Thematik der weiblichen Beschneidung bzw. Genitalverstümmelung angenommen. Diese wurde Anfang der 1990er Jahre auch an der Regisseurin selbst vorgenommen, weswegen Magoko einen sehr emotionalen, persönlichen Bezug zu der Materie hat. In den Jahren 2014 bis 2018 setzte sie an der Kunsthochschule für Medien Köln (KHM) ihre filmische Ausbildung fort. „In Search…“ ist ihr Diplomfilm, für den sie schon etliche Auszeichnungen, u.a. den Förderpreis für junge KünstlerInnen des Landes NRW und den Großen Preis der Freunde der KHM, entgegennehmen konnte. Auf den Festivals von Leipzig und Amsterdam wurde sie darüber hinaus mit dem Publikums- respektive dem Studentenpreis ausgezeichnet.
Auch bei „In Search…“ geht es um die Female Genital Mutilation (FGM), bei der in bis heute 32 Ländern eine Beschneidung der Klitoris bei heranwachsenden Mädchen durchgeführt wird, meist unter katastrophalen hygienischen Bedingungen, unter denen die Frauen oftmals ein Leben lang zu leiden haben. Ausgehend von ihrem eigenen Schicksal, macht sich Beryl Magoko im Film mit den Möglichkeiten einer Wiederherstellungsoperation vertraut, um diese schließlich ebenfalls in Kenia an sich durchführen zu lassen. Kamerafrau Jule Katinka Cramer erzählte in Köln, dass die „Making Of“-Elemente des Films, in denen der Prozess des Filmemachens selbst erlebbar wird, schon von Anfang an feststanden, weil Magoko zunächst auch ein eigenes Videotagebuch geführt hatte. Die Regisseurin merkte an, dass sie Cramer im Jahr 2014 auf der KHM kennengelernt hatte und dann relativ schnell Vertrauen zu ihr aufbaute. „Jule war für mich wie eine beste Freundin, deswegen habe ich ihre Kamera bei den Dreharbeiten irgendwann gar nicht mehr wahrgenommen“, so Magoko weiter. Aus diesem Grund kommt der Film seiner Regisseurin und deren schwerem inneren Dilemma unglaublich nahe. „Ich wollte einen Film über afrikanische Frauen machen, mit Betroffenen reden und anderen Mädchen helfen, nicht das gleiche Schicksal zu erleiden. Dazu musste ich aber zunächst mein eigenes Trauma aufarbeiten“, ergänzte die Regisseurin.
Zu diesem Trauma gehörte auch eine Aussprache mit der eigenen Mutter, mit der Beryl Magoko zuvor noch nie über die eigene Beschneidung gesprochen hatte. In Afrika spräche man nicht darüber, man lebte einfach damit. Umso glücklicher sei die Filmemacherin nun, dass sie die Gelegenheit ergriffen habe, sich mit ihrer Mutter noch zu deren Lebzeiten über das Tabuthema auszutauschen. Dabei hat sie nun auch erkannt, dass auch ihre Mutter gegen FGM ist und Beryls Entschluss, ihre Genitalien operativ wiederherstellen zu lassen, gutheißt. Rund 200 Millionen Frauen seien weltweit von Genitalverstümmelungen betroffen. Sybille Fezer, Geschäftsführerin der internationalen Frauenrechtsorganisation „Medica Mondiale“, die den Abend moderierte, ergänzte zum Ende des Publikumsgesprächs, dass derzeit in Sachen FGM wieder eine Rückentwicklung stattfände. Nachdem sich zunächst zahlreiche Regierungen von weiblichen Beschneidungen distanziert hatten, würden nun etliche Staaten wieder zur Verteidigung der alten Tradition zurückkehren. Dass die FGM vielerorts nun unter hygienischen Bedingungen in Krankenhäusern durchgeführt werde, rechtfertige den radikalen Eingriff am Sexualorgan der Mädchen und jungen Frauen natürlich in keiner Weise. Beryl Magoko jedenfalls versucht, mit ihren Filmen einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft auszuüben, damit sich die Situation in Zukunft grundlegend ändert und das Thema FGM weltweit bald der Vergangenheit angehört.
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