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Near Miss
Foto: Tom Trambow

Beinahunfall

11. Juni 2012

Stephanie Thiersch zeigt neue Tanzproduktion „Near Miss“ - Tanz in NRW 06/12

Es beginnt im Nebel und endet im Nebel. Unschärfe bleibt das zentrale Motiv in Stephanie Thierschs neuer Tanzregie. „Near Miss“ nennt sich die Produktion, die jetzt in der Alten Feuerwache zu sehen war. Ein Begriff aus der Raumfahrt, den man für einen Beinahunfall im All benutzt. Satelliten prallen aufeinander und wie der Name schon andeutet, spielt der Name des Phänomens auch mit dem Charme junger Damen, denen eine Sache aus dem Ruder läuft.

Also im Grunde eine dramatische Angelegenheit, nur die Inszenierung ist auf Spannung nicht angelegt. In langen Sequenzen wird getanzt, die Bilder erstarren mitunter, aber die Bewegungen, die dorthin führen, erweisen sich trotz großen Kraftaufwands als unspektakulär. Dafür setzen Stephanie Thiersch und ihr künstlerisches Ensemble auf Details. Mehrere Wägelchen, auf denen Scheinwerfer installiert sind, werfen Lichtbahnen auf die Akteure. Leider findet das Spiel mit diesen Effekten nur sporadisch statt, dabei hätten präzise Lichtattacken auf die drei Tänzerinnen überraschende Perspektiven eröffnen können. Der Aspekt des gerade noch vermiedenen Zusammenstosses bleibt beiläufig in der Choreographie. Denn immer schon sind die drei Akteurinnen (Viviana Escalé, Mu-Yi Kuo, Marcela Ruiz Quintero) ineinander verkeilt oder verschlungen, sechs Arme und sechs Beine. Kein Mensch und kein Tier, möglicherweise ein Fabelwesen oder eine Maschine, die sich aus menschlichen Körpern zusammensetzt und in einem wuseligen Verschmelzen der Haarpracht mündet.

Trotz einer elektronischen Soundgrundierung (Musik: Suchy) und einem großen Bewegungsaufwands bleibt die Inszenierung ohne Kontur. Der Akku der Inspiration scheint zur Zeit leer zu sein bei Stephanie Thierschs Mouvoir, einem der herausragenden Produktionsteams der Kölner Tanzszene. Ein ästhetischer Beinahunfall, der auch das Kölner Publikum bei der Premiere nicht recht zu begeistern vermochte. Aber vielleicht zeichnet sich hier ja auch ein Luftholen ab, da mit „Near Miss“ die Happy Living Trilogie ihre Beendigung erfahren hat, und man nun auf neue, weitere Horizonte blicken kann.

Thomas Linden

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