Lange Zeit verfügte der 1980 gegründete Buchladen Neusser Straße in Nippes mit dem „nebenan“ genannten zweiten Laden über viel Raum für Extras wie „Non-Books“, Geschenkartikel, Spielwaren, Kalender sowie ein kleines Kaffee direkt am Eingang. Doch Ende Januar musste „nebenan“ Laden geschlossen werden. „Uns wurde gekündigt“, erklärt Geschäftsführerin Dorothee Junck. „Der Investor hat in diesem Block bereits mehreren Mietern gekündigt.“ Nun gibt es also keinen Kaffee mehr, aber die wichtigsten Artikel sind noch da – im schmalen, aber tiefen Hauptladen. „Wir haben ein wenig abgespeckt und hier ein wenig umgeräumt, um alles unterbringen zu können.“
Der Buchladen zählt zu jenen, über die während der Coronakrise weiterhin Bücher zu beziehen sind. So sieht man tagsüber laufend Menschen, die dort an die Tür klopfen, ihren Namen nennen und auf die Herausgabe eines telefonisch oder elektronisch bestellten Buches warten. Zumal eine Barzahlung nicht mehr möglich ist, wird das Buch zusammen mit einer Rechnung auf einem Tisch abgelegt – kontaktlos. Ein Student ist als Fahrradkurier unterwegs, um ohne direkten Kontakt die nähere Umgebung zu versorgen.
Die solide Nachfrage erklärt sich Buchhändler Guido Krey damit, dass Amazon derzeit keine Bücher liefere und zugleich der Zusammenhalt im Veedel sehr stark sei. „Im Moment werden zum Beispiel Kinder- und Schulbücher nachgefragt, denn die Eltern sind mit den Kindern zuhause und der Unterrichtsstoff muss weiterhin durchgenommen werden.“ Die Arbeit sehe jetzt natürlich etwas anders aus. Nun müsse „für jedes 6-Euro-Buch“ ja eine Rechnung geschrieben und es gegebenenfalls für den (kostenlosen) postalischen Versand verpackt werden.
Am 14. März feierte das Team zusammen mit den Gründern Christian Jakobs und Dieter Aretz-Göpp den 40. Geburtstag des Ladens, vor dessen Schaufenster man sich – in normalen Zeiten – an einen kleinen Tisch setzen kann. Auf das mittlerweile große Angebot an Buchläden in der Straße angesprochen, seufzt Junck ein wenig und zählt auch die Konkurrenz aus dem Internet hinzu. „In den 13 Jahren, seit ich den Laden übernommen habe, hat sich der Markt komplett verändert.“ Da helfe nur viel Herzblut. Das Team sieht sich in der digitalen Welt gut aufgestellt, geht auf die Bedürfnisse der nippeser Kunden rund um Bücher, Beratung und Einkauf ein und bietet interessante Veranstaltungen. So soll am 28. April, wenn alles klappt, der Autor Christian Baron aus seinem autobiografischen Roman „Ein Mann seiner Klasse“ lesen, nachdem die Buchhandlung den Roman bereits empfohlen hatte. Und sonst so?
„Es gibt in diesem Frühjahr wirklich ein paar wunderbare Bücher, zumeist von Autoren, die man vom Namen her nicht unbedingt kennt“, erklärt Guido Krey und nimmt den Roman „Der Freund“ (Aufbau, 2020) von der Auslage. „Einer dieser Fälle ist Sigrid Nunez, eine amerikanische Autorin, schon jenseits der 60. Sie hat vor anderthalb Jahren dafür in den USA den National Book Award gewonnen. Es ist ein wunderbares Buch, es geht um Trauerbewältigung, um die Literatur. Es wird in der ersten Person Singular erzählt: Eine Frau trauert um einen Freund, der sich umgebracht hat – sie reflektiert sein Leben. Er war ein Literaturdozent, sie selbst schreibt sehr viel über Schriftsteller, deren Marotte, was Literatur für eine Funktion hat. Und eine andere Geschichte ist, sie erbt von einem Freund eine riesengroße dänische Dogge, und sie wohnt in einer mietpreisgebundenen Wohnung in New York, wo man keine Haustiere halten darf. Was bei einer 80 Kilo schweren Dogge schwer zu verheimlichen ist.“
„Es dann auch durchaus eine leicht lustige Geschichte zwischendurch“, fährt Krey fort, „der Hund trauert dann auch um sein Herrchen, die lesen zusammen Bücher… Es ist wirklich ein ganz wunderbares, tolles Buch.“ Gefallen habe ihm besonders die Thematisierung von Literatur in Verbindung mit einer Handlung um Trauerbewältigung und den geerbten Hund.
Mitarbeiterin Britta Martens empfiehlt aktuell Ian Manooks „Der Mongole – Das Grab in der Steppe“ (Blanvalet, 2019). „Ich lese gerne Krimis, und das ist mal ganz was Besonderes. Er spielt in der Mongolei, die als Kriminland noch nicht so bekannt ist. Es geht auch viel um die Tradition der Mongolen – man erfährt wirklich viel über ihr Leben und die Kultur, trotzdem ist es aber ein sehr spannender Krimi. Es sind eigentlich zwei Fälle. Einmal geht es um die Leiche eines kleinen Mädchens, die in der Steppe gefunden wird, und dann werden in der Hauptstadt chinesische Geschäftsleute umgebracht. Und das Besondere bei Manook ist außerdem, dass er mit Kapitelüberschriften arbeitet, die er am Ende jedes Kapitels noch einmal wiederholt.“
Schriftsteller Ian Manook (*1949) sei ein Franzose, der die Mongolei bereist habe. „Und das merkt man auch.“ Und ja, es gibt dort auch einen Kommissar: „Yeruldelgger hat seine persönlichen Probleme, was nach und nach auch aufgeklärt wird, und Manook erzählt das mit etwas Humor.“ Allerdings handle es sich nicht eben um seichte Kost, die hohe Spannung gehe mit einer gewissen Brutalität Hand in Hand. Die meisten Krimileser dürfte das aber nicht abschrecken.
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