Seit elf Jahren schlägt in der Essener City das Herz der Literatur unweit des Hauptbahnhofs, als 2005 die von Peter Kolling und Beate Scherzer geführte Buchhandlung Proust eröffnete. Sie ist direkt neben der Fußgängerzone (Am Handelshof 1) zu finden. Vergangenes Jahr wurde sie als eine von fünf Buchhandlungen im Ruhrgebiet mit dem 2015 erstmals vom Bundesministerium für Kultur und Medien (BKM) vergebenen Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet, für den Proust auch 2016 wieder nominiert ist. Doch damit nicht genug: Als „Essens geheimes geistiges Zentrum“ bezeichnete die heimische Autorin und – zum Leidwesen vieler – inzwischen Wahl-Berlinerin Marion Poschmann diesen Ort, nachdem Proust kurz vor der Literatur-Nobelpreis-Bekanntgabe 2009 zur Lesung mit Herta Müller geladen hatte. Worin gründet sich das Erfolgsrezept?
Von Anfang an plante das Inhaber-Duo mit Proust „die etwas andere Buchhandlung", erläutert Scherzer – „eine Wunschbuchhandlung, die sich vom Äußeren und Inhaltlichen unterscheiden sollte von auswechselbaren Läden mit stets den gleichen Bestsellerstapeln." Es galt, „einen Laden für alle Sinne" zu schaffen – fürs Auge und Ohr wie für den Geschmack. Nicht zuletzt trägt Proust den Untertitel „Wörter & Töne" im Geschäftsnamen, bietet neben Büchern ebenfalls CDs an und fungiert (manchmal mit selbstgebackenem Kuchen) zudem als Café. Proust ist „ein Laden zum Wohlfühlen“, so Beate Scherzer – „was auch für die Inhaber und Mitarbeiter gelten sollte.“ Der Funken springt häufig auf die KundInnen über: „Dass wir hier jeden Tag selber gerne hereingehen, überträgt sich glücklicherweise auf die BesucherInnen", ist Scherzer überzeugt.
Mit einer Fülle literarischer Lesungen knüpft Proust außerdem an die Tradition von Lesereihen im Grillo-Theater an, wo seit 1990 gemeinsam mit Norbert Wehr von der Literaturzeitschrift Schreibheft monatliche Lesungen mit namhaften AutorInnen, ÜbersetzerInnen und HerausgeberInnen veranstaltet wurden, unter anderem mit den unlängst verstorbenen ungarischen Schriftstellern Imre Kertesz und Peter Esterhazy sowie dem Bochumer Autoren und Journalisten Wolfgang Welt. Obwohl diese Reihe inzwischen nicht mehr aus öffentlichen Geldern finanziert werden kann, wird sie fortgeführt, nachdem Norbert Wehr und Beate Scherzer 2015 die Literarische Gesellschaft Ruhr e.V. gegründet haben und die Reihe nun von der Alfred und Cläre Pott-Stiftung großzügig unterstützt wird.
Zudem stellt Proust im Rahmen der Reihe „Lesart" seit neun Jahren aktuelle Sachbücher vor, die gemeinsam mit Deutschlandradio Kultur stattfindet, wo mitgeschnittene Lesungen bundesweit gesendet werden. „Wir freuen uns, in den letzten Jahren durch unsere Aktivitäten zahlreiche Kooperationspartner gewonnen zu haben", betont Scherzer – darunter das Kulturwissenschaftliche Institut (KWI) Essen, das Deutsch-Französische Kulturzentrum, das Literaturfestival Literatürk sowie die Chamisso-Tage an der Ruhr. Doch dies ist noch nicht das ganze Geheimrezept: „Wir lieben das Gespräch mit unseren Kunden, den Dialog über Literatur, den Duft frisch gedruckten Papiers", fügt Beate Scherzer hinzu – und: „Wir glauben, dass neben den digitalen Medien das gedruckte, das schöne, besondere Buch noch eine ganze Weile auf der Welt sein wird und also auch bei uns im Laden."
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