Samstag, 2. April: Vom 29. März bis 3. April fand in diesem Jahr das Internationale Frauenfilmfest Dortmund + Köln (IFFF) in einer hybriden Form aus Online- und Präsenzveranstaltungen in den beiden Städten statt, wobei in diesem Jahr der Veranstaltungsschwerpunkt auf Köln lag. Wie bereits aus den vorhergehenden Festivaljahren gewohnt, waren auch 2022 wieder etliche Filmemacherinnen und Teams zu Gast, um im Anschluss mit dem Publikum über ihre Arbeiten zu sprechen. Man merkte in diesem Jahr, dass sich die ZuschauerInnen nach Präsenzveranstaltungen und dem direkten Austausch mit anderen sehnten, denn die Veranstaltungen waren durchweg sehr gut besucht. So auch die Vorführung von Milica Tomovićs Langfilmdebüt „Kelten“ (Kelti), das seine Uraufführung im vergangenen Jahr in der Sektion Panorama der Berlinale gefeiert hatte. Die Regisseurin versetzt das Publikum darin in das Jahr 1993 ins serbische Belgrad zurück, als die Teilung des ehemaligen Jugoslawiens noch sehr frisch war und sich die Bevölkerung erst noch daran gewöhnen musste, sich als Serben, Kroaten oder Bosnier zu definieren. Diese Verunsicherungen führten damals dazu, dass sich einige Menschen schlichtweg als Aliens oder Kelten bezeichneten, was Tomović die Inspiration für ihren Filmtitel lieferte.
Ganz selbstverständliche Diversität
Dreh- und Angelpunkt von „Kelten“ ist der achte Geburtstag eines kleinen Mädchens, das ein großer „Teenage Mutant Ninja Turtles“-Fan ist und sich deswegen auch als Raphael verkleidet und damit das Motto für seine Party festlegt. Neben etlichen KlassenkameradInnen treffen sich auch einige Verwandte und Freunde der Eltern auf der Geburtstagsfeier, die hier mit ganz eigenen Problemen zu kämpfen haben, u.a. mit einem komplizierten Beziehungsgeflecht dreier lesbischer Frauen. Zusätzlich trägt der homosexuelle Onkel des Geburtstagskindes zur Diversität der Party und des Filmes bei. Im anschließenden Publikumsgespräch mit der IFFF-Kuratorin Stefanie Görtz erläuterte Milica Tomović, dass dies für sie die ehrlichste und normalste Weise wäre, sich mit Diversität zu beschäftigen, indem man diese auf ganz selbstverständliche Weise thematisiert und nicht großartig problematisiert. Dieser Umstand ging für sie einher mit der frei wählbaren nationalen Identität ihrer Protagonisten: „Mir war wichtig, dass sich die Figuren in keiner Weise festlegen mussten, weder national noch in Bezug auf ihr Geschlecht oder ihre Sexualität.“ Dass die Vorkommnisse in „Kelten“ zumindest teilweise autobiografisch geprägt sind, verriet die Regisseurin ebenfalls. Denn an ihrem achten Geburtstag feierte sie tatsächlich zum ersten Mal einen großen Kindergeburtstag, der allerdings zu einem einzigen Desaster wurde, „nicht so schlimm wie im Film, aber auch bei weitem nicht so perfekt wie die Kindergeburtstage meiner Freunde“. Heute sei Tomović im selben Alter wie ihre Eltern damals, als sie diese erste Geburtstagsparty für sie organisierten, und nun würde sie sich fragen, wie ihre Eltern das damals geschafft hätten. Insofern sei der Film auch als eine Art Würdigung an ihre Mutter und ihren Vater gedacht.
Ein Ensemblefilm als Debütstoff
Recht ungewöhnlich ist die Tatsache, dass sich die Filmemacherin für ihr Debüt direkt an einen Ensemblefilm gewagt hat, bei dem es eine Unmenge an Figuren und parallel verlaufender Handlungsstränge gibt. Dabei war es ihr wichtig, dass die Kamera fließend durch die zahlreichen Zimmer des Hauses gleitet und immer wieder Dinge einfängt, die man auch direkt vor Ort beobachten würde. Vor Beginn der Dreharbeiten hatte sie mit ihren SchauspielerInnen viel improvisiert und sie eigenständig die Vorgeschichten ihrer Figuren erarbeiten lassen. „Die eigentliche Mise en Scène war dann allerdings sehr genau durchgeplant und wurde sehr schnell innerhalb von vier Wochen gedreht“, ergänzte die Regisseurin in Köln. Die Kostüme und das Setting aus den frühen 1990er Jahren hätten dann zusätzlich dazu beigetragen, dass die DarstellerInnen in ihre Rollen gefunden und auch eine entsprechende Körperlichkeit für sie entwickelt hätten. Richtig schwierig sei es dann noch einmal im Schnittprozess geworden, der rund anderthalb Jahre gedauert habe, und bei dem sie sich von einigen Nebenhandlungen oder zumindest Szenen daraus hätte verabschieden müssen. Wichtig sei hier vor allen Dingen gewesen, dass sich die unterschiedlichen Storylines auf harmonische Weise zusammenfügten und dass der Erzählfluss dabei nicht ins Stocken geriet. Etliche Festivalauszeichnungen, beispielsweise als beste Regisseurin beim Sarajevo Film Festival oder Publikumspreise in Taipei und bei der Viennale, haben Milica Tomović bewiesen, dass ihr dies mit „Kelten“ gelungen ist.
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