Tief im Süden von Köln gibt es einen Ort, an dem Romantik nicht nur ein Wort ist. Kinder spielen zwischen den hohen Büschen, Künstler arbeiten in ihren Ateliers, und es gibt ein eigenes, gemütliches Café mitten in dieser grünen – vor 200 Jahren errichteten – Industrie-Oase. Seit fast zwei Jahrzehnten wird in den Studios der ehemaligen Wachsfabrik Tanz produziert und präsentiert. Das Choreographen-Netzwerk Barnes Crossing ist hier ansässig. Nach allen Verwüstungen, die der Freie Tanz in Köln hat erleben müssen, ist die Wachsfabrik der einzige originäre Ort für die Tanzkunst geblieben. Hier trifft sich die Szene, hier hat sie ein letztes Stück Heimat.
Aber nun ist dieses Idyll massiv bedroht. Der Mietvertrag wurde mit dem Eigentümer des Geländes von der Stadt Köln noch für ein Jahr verlängert, dann steht der Tanz in der Wachsfabrik vor dem Aus. Dem Kulturamt liegt der Standort an der Industriestraße zwischen Weiß und Sürth zu weit vor den Toren Kölns. Außerdem wird auf den schlechten Zustand des Gebäudes verwiesen. Eine treffende Beobachtung, denn die Verhältnisse sind vor allem im Winter sehr bescheiden, zumal die Bausubstanz sichtlich angegriffen ist. Aber wer in Köln Tanz produziert, muss sich in dürftigen Verhältnissen zurechtfinden. Und die Wachsfabrik vereinigt Produktions- und Aufführungsstätte. Ein etablierter Ort, der im Gegensatz zu den unpersönlichen Hafenanlagen in Poll oder den Gemischtwarenläden im Stollwerck und der Alten Feuerwache ein nicht zu unterschätzendes Stück Identität bietet.
Daniel Hoernemann, der die Choreographen von Barnes Crossing vertritt – ein Netzwerk, das Kulturdzernent Georg Quander einmal als Modell für die Zukunft des Tanzes in Köln vorschwebte – erinnert daran, dass in der Wachsfabrik gerade auch der Nachwuchs gefördert wird. Die gestandenen Choreographen stellen den jungen Tänzern ihre Erfahrung großzügig zur Verfügung. Das Nachwuchsfestival Movement & Art Development (MAD) ist auf sie zugeschnitten, und es existieren Kooperationen mit Tänzern aus Island und Luxemburg. Billiger als in der Wachsfabrik kann man kaum produzieren, und Daniel Hoernemann erinnert daran, dass „die Suche nach einem Tanzhaus gezeigt hat, wie die Realität aussieht“. Genau hier hakt Kulturamtsleiter Konrad Schmidt-Werthern ein, wenn er Alternativen zum Standort fordert: „Man darf nicht von vorneherein sagen, es gibt keine andere Möglichkeit als die Wachsfabrik.“
Der kämpferische Ansatz, neue Lösungen zu finden, ist sympathisch. Die Freie Szene braucht einen attraktiven Ort in Stadtnähe. Wer suchet, der findet, kann man da nur sagen. Allerdings hat sich die Stadt Köln in der Vergangenheit nicht mit Ruhm bekleckert, wenn es darum ging, die Möglichkeiten des Freien Tanzes grundlegend zu verbessern. Außer Lippenbekenntnissen, an denen es nicht mangelte, gab es nur dürftige Förderung, und wenn es um Residenzen ging, sah es schnell zappenduster aus. Zurzeit stellt sich ja auch die Frage, welche der existierenden Gruppen die katastrophale Haushaltssituation überleben wird. Von einer Etablierung an einem neuen Standort darf man da nur träumen. Mit der Wachsfabrik hat man immerhin den Spatz in der Hand, und den sollte man nicht leichtfertig ziehen lassen. Wer die Wachsfabrik noch nicht kennt, kann sich aufmachen zurIndustriestraße 170, wo am 16. und 17. Juni in der Reihe CrissCross die beiden isländischen Performer Steinunn und Brian zu sehen sind.
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