Mittwoch, 4. Juni: Es gibt wohl kaum einen Haushalt, in dem sich nicht irgendein Elektrogerät der Marke Braun finden ließe. Die 1921 als Familienbetrieb im hessischen Taunus gegründete Firma genießt dank ihrer Radiogeräte, Küchenmixer und elektrischer Zahnbürsten seit Jahrzehnten eine internationale Reputation und kann in vielerlei Hinsicht als Wegweiser für moderne Elektrogeräte gelten. Filmemacher Dieter Oeckl („Günter Wallraff – Ganz unten.“ und „Die Alpenfestung – Letztes Bollwerk der SS“) hat dem Phänomen der Marke und ihrer Entwicklungsgeschichte in einem 2011 entstandenen Film mit dem Titel „Simply the Best – Die BRAUN Design Story“ nachgespürt. Dabei war es für Oeckl gar nicht so einfach, den 45-minütigen Fernsehbeitrag zu realisieren, zu sehr schien es sich hierbei um ein Nischenthema zu handeln. Mit Unterstützung des Hessischen Rundfunks drehte Oeckl den Film schließlich zum größten Teil auf eigenes finanzielles Risiko. Umso wichtiger war es dem Macher, das Ergebnis nun persönlich im Kino einem interessierten Publikum vorzustellen und einige Erläuterungen beizusteuern.
Den entscheidenden Schritt in der Designgeschichte vollzog die Firma Braun in den 50er Jahren, nachdem Firmengründer Max Braun verstorben und seine beiden Söhne Artur und Erwin die Firmenleitung übernommen hatten. „Man wollte damals aufräumen mit dem verlogenen Pathos der Vergangenheit“, so Regisseur Dieter Oeckl bei seiner Einführung im Kölner Odeon-Kino. Der Neuanfang vollzog sich in Kooperation mit der neu gegründeten Ulmer Schule für Gestaltung, aus der eine fanatisierte Gruppe entstand, die Akzente setzen und neue Ideen realisieren wollte. Die „Formgestalter“ aus Ulm, wie man studierte Designer zu jener Zeit noch nannte, gaben künftig bei der Firma Braun den Ton an. „Es gab damals noch keine modernen Gebrauchsgegenstände, Radios waren Tonmöbel, Küchengegenstände waren behäbig und sperrig“, kommentierte Oeckl. Auf geradezu symbolische Weise wurde man den Ballast der Vergangenheit los und entwarf funktionsbetonte und schlichte Radios, die die Verbraucher in ihrer Nacktheit zunächst schockierten. 1954 wurden die ersten Geräte in diesem reduzierten Design auf dem Markt eingeführt. Der Erfolg hielt sich zunächst in Grenzen, sorgte aber schon bald international für Aufmerksamkeit und wurde dann als das perfekte Möbelstück für die Bauhaus-Wohnung angepriesen.
Bis in die 60er Jahre hinein blieb man bei Braun dieser Linie treu und schuf die unterschiedlichsten Elektrogeräte, die wie aus einem Guss anmuteten. Als der anhaltende Erfolg und die Diversifikation der Produkte zunehmend zu einem logistischen Problem wurden, verkaufte man das Unternehmen 1967 an die US-amerikanische Gillette Company. Kritisch merkte Dieter Oeckl an, dass mittlerweile das Marketing das Design bestimme. „Es fehlt der Spirit der 50er Jahre.“ In seinem Film „Simply the Best“ widmet Oeckl auch einige Minuten dem gleichfalls wegweisenden sozialen Umgang der Firma Braun mit ihren Mitarbeitern. Braun hatte nämlich als erstes deutsches Unternehmen überhaupt einen Gesundheitsdienst für seine Angestellten ins Leben gerufen, um Haltungsschäden durch eintönige Arbeitsabläufe zu vermeiden oder zu heilen. Deswegen zeigte Oeckl im Anschluss an seinen eigenen Film noch die 1962 entstandene Dokumentation „Arbeiten und gesund bleiben“ von Kurt Morneweg, die sich dezidiert mit dem Braunschen Gesundheitszentrum auseinandersetzt.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ein letzter Blick von unten
„Vom Ende eines Zeitalters“ mit Filmgespräch im Casablanca Bochum
Grusel und Begeisterung
„Max und die wilde 7: Die Geister Oma“ mit Fragerunde in der Schauburg Dortmund
Prominente Drehorte
Der Verein Köln im Film zeigt in Köln gedrehte Spielfilme – Festival 05/24
Bezeugen, was verboten ist
NRW-Kinopremiere: „Green Border“ von Agnieszka Holland mit Vorgespräch
Von kinderlos zu kinderfrei
Sondervorführung „Me Time“ im Odeon Kino
„Ein Wechselbad der Gefühle“
Publikumsstimmen zur choices preview von „Alcarràs – Die letzte Ernte“ – Spezial 08/22
Berührender Hilferuf der Landwirtschaft
choices preview im Odeon-Kino: „Alcarràs – Die letzte Ernte“ – Spezial 08/22
Abrissbirne und Wiederaufbau
Filmprogramm zu Stadtplanung und Bürgerprotesten – Reihe 06/22
Faszination der Gewalt
„Of Fathers and Sons – Die Kinder des Kalifats“ im Odeon – Foyer 03/19
Interventionen im öffentlichen Raum
Eine Veranstaltungsreihe erinnert an Heinrich Pachl – Kino 02/19
Schleichende Ausrottung indigener Völker
„Piripkura“ feiert Deutschland-Premiere im Odeon – Foyer 12/18
Die nächsten Generationen
„Nachlass“ im Odeon – Foyer 10/18
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24