Die Tage des Rüpels sollten gezählt sein. Immer noch auf der Überholspur wildernd, aber ohne den einstigen Lärm. So könnte man aus der Sicht von Liam Gallagher den Albumtitel „Different Gear, Still Speeding“ seines post-Oasis-Projektes Beady Eye deuten. Dieses Einst, als man noch mit dem Brüderchen Restaurants und Hotels aufmischte, zwei Schneidezähne verlor und verhaftet wurde (wie es 1993 in München geschah), scheint wie ausgeblendet. Selbst der englische Boulevard-Blätterwald schweigt (meistens).
Dass der einstige Oasis-Leadsänger und Modelabel-Gründer Liam Gallagher auch live eine veränderte Figur abgibt, fiel gestern beim Auftritt von Beady-Eye im Rahmen des Bochumer Zelt-Festivals schnell auf. Die Worte „Thank you“ gingen ihm bemerkenswert oft über die Lippen. Auf vielen Oasis-Konzerten war so etwas eher schädigend für den Coolness-Faktor. Bei gefühlten dreißig Grad Zelttemperatur durfte der stilechte Armee-Parka dann aber ebenso wenig fehlen wie ein Hut. Coolness-Faktor also wiederhergestellt.
Musikalisch ist Beady Eye ein ziemlich professioneller Haufen. Gem Archer und Multiinstrumentalist Andy Bell (Gitarre, Bass und Keyboard) waren schon seit 1999 bei Oasis, der Bassist Jeff Wootton war mit den Gorillaz mehrmals unterwegs, bevor der Anruf von Liam kam. Doch bei allen bekannten und souverän gespielten Songs wie den Singleauskopplungen „Four Letter Word“ oder „The Roller“ überzeugten live vor allem die stilleren Kompositionen wie „Wigwam“ oder „The Beat Goes On“. Dies lag einmal am Keyboarder Matt Jones, dessen Spiel die Gitarrenfront etwas aufweichte und ein paar neue Klangfarben reinbrachte sowie an der mäßigen Akustik. Die Vocals von Gallagher liefen bei den rockigen Stücken wie eine Druckwalze über den Sound seiner Nebenleute, höhen- und tiefenfrei, aber lautstark. So wirkten die besagten Stücke wie eine willkommene Abwechslung.
Den Weg vom Saulus zum Paulus wird Liam Gallagher wohl nie gehen. Aber der einstige Junge mit einer Gabel in einer Welt voll Suppe, als den ihn sein Bruder Noel mal beschrieben hat, ist er auch nicht mehr. Es gibt die Zeit und auch bald die Musik nach Oasis – die Kritiker müssen sich noch dran gewöhnen. Gestern wurde wieder fleißig Überzeugungsarbeit geleistet, aber leider nur knappe 70 Minuten lang. Hätte ruhig mehr sein dürfen, Gentleman.
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