Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15 16 17

12.577 Beiträge zu
3.805 Filmen im Forum

„project" von Ivo Dimchev
Foto: Nada Zgank

Ein Herz in der einen und einen Geldschein in der anderen Hand

12. Oktober 2015

Das Festival Globalize:Cologne öffnet neue Horizonte im Theater – Tanz in NRW 10/15

Was wären die Freien Szenen in NRW ohne Ausländer. Sie bringen frischen Wind in die Welt des hiesigen Theaters. Eine Erkenntnis, die von den unter dem Label Freihandelszone zusammenarbeitenden Kölner Theater- und Tanz-Ensembles schon vor neun Jahren in ein eigenes Format gegossen wurde. Seither lädt man im Herbst unter dem Titel „Globalize:Cologne“ Darstellende Künstler aus der ganzen Welt nach Köln ein. In diesem Jahr wartet das spannende Programm kurioserweise mit keinem einzigen Schauspieler auf. Das Theater löst sich immer mehr von vorgegebenem Textmaterial und wendet sich zum offenen Raum der Performance, in dem das Unerwartete geschehen kann.

Acht Gruppen werden vom 20. bis 24 Oktober am Rhein erwartet. Darunter das britische Künstlerduo Rotaza mit seiner Produktion „Etiquette“, die an einem Tisch im Café realisiert wird. Gegenstände liegen auf dem Tisch, aus ihnen wird sich ein wechselvolles Spiel zwischen den einzelnen Besuchern und der Performerin Silvia Mercuriali ergeben. Man könnte denken, intimer geht es nicht mehr. Weit gefehlt, der Bulgare Ivo Dimchev stellt in seinem „P project“ die Frage an das Publikum: Was würdest du tun für wieviel Geld? Durchaus mit Charme bezahlt er die Besucher in bar für Dinge, die er sie bittet zu tun. Selbstverständlich überlegt jeder, wo sind meine Grenzen?

Ebenfalls aus Bulgarien reist Alexander Manuiloff mit seinem Stück „Der Staat“ an. Auf einem Tisch liegt ein Stapel Briefe. Jeder dieser Briefe könnte der letzte eines Lebens sein. Für das Publikum wird es darum gehen, sie zu öffnen und zu erleben, welche Folgen sich aus der Frage nach der Verantwortung ergeben.

Einen Schauspieler benötigt weder die ukrainische Gruppe um den Performer Sashko Brama für ihr Punk-Rock-Spektakel „R + J“, in dem nicht nur akustisch die Fetzen fliegen, noch die belgische Gruppe TOF. In ihrer Produktion „Dans l'Atelier“ erschafft sich eine Puppe selbst. Man erlebt, wie Illusion aus dem Nichts entsteht, und wird selbst ein Teil der Verwandlung.

Dass es in diesem Jahr sehr spielerisch zugeht, demonstriert auch die Neuseeländerin Kate McIntosh, die in ihrer Produktion „All Ears“ Gegenstände an Flaschenzüge montiert, die von den Besuchern dann betätigt werden können. Aus den Bewegungen und Geräuschen ergibt sich eine Klangkomposition, die auch eine erzählerische Dimension enthält. Das Innerste des Menschen wollen die Japanerinnen Yuki Kawaguchi und Yoshimasa Ishibashi spürbar und vor allem sichtbar machen. Während ihrer Tanz-Produktion „MatchArtria“, die von den Teezeremonien inspiriert ist, hält jeder Besucher ein Herz in der Hand, das im Rhythmus des Herzens von Yuki Kawaguchi schlägt. Besucher und Performer sind sozusagen durch eine Nabelschnur miteinander verbunden.

An fünf Orten und in fünf Cafés wird das Festival über die verschiedenen Vororte Kölns hinweg verteilt sein. Nach jeder Vorstellung stellen die Gastgeber der Freihandelszone eine lange Tafel auf, an der gegessen und diskutiert wird. Denn die Künstler möchten einmal die Rollen tauschen, und die Gelegenheit nutzen, um ihr Publikum nach seinen Eindrücken zu befragen. Die Gesetze einer guten Performance besitzen halt immer die Tendenz, in der Realität fortgesetzt zu werden. Erst die elektrisierende Nähe zwischen Theater und Leben gibt den Projekten den entscheidenden Kick.

Globalize:Cologne | 20.-24.10. | Köln, div. Orte | www.freihandelszone.org

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Alter weißer Mann

Lesen Sie dazu auch:

Agentenaktion
LIGNA und interaktive Spiele im Stadtraum – Tanz an der Ruhr 09/18

Die innere Mechanik des Tanzes
Die Kölner tanzsociety wirbt für die Tanzkunst – Tanz am Rhein 04/18

Wenn die Masse machtlos ist
Urbäng! eröffnet mit „Suddenly Everywhere Is Black With People“ – Bühne 10/17

Der Herzschlag des Publikums
Zeitgenössischer Zirkus erobert die freie Szene – Tanz in NRW 07/17

Der Zeit zwei Schritte voraus
Das Tanztheater bodytalk wechselt von Köln nach Münster – Tanz in NRW 08/16

Aufbrechende Wunden
Von Köln und Münster bis Berlin: Festival der Cie. Toula Limnaios – Tanz in NRW 07/16

Von Jägern und Gejagten
Kölner Reihe Tanz mit Highlights im Forum Leverkusen – Tanz in NRW 06/16

Der Totentanz des 20. Jahrhunderts
„Der grüne Tisch“ in Düsseldorf als Kommentar zur Gegenwart Europas – Tanz in NRW 03/16

Das Geschlecht inszenieren
Im Genderdiskurs finanziert Köln fragwürdige Tanzstücke – Tanz in NRW 03/16

Vermessung der Welt im Tanzschritt
Wuppertal positioniert sich mit einem Tanzfilm-Festival – Tanz in NRW 02/16

Der Blick hinter den Spiegel
Die 5. Biennale der Tanzausbildung findet in NRW statt – Tanz in NRW 02/16

Videotanz-Festival in Wuppertal
Tanzfilm als Synthese zweier unterschiedlicher Medien – Tanz in NRW 01/16

Tanz.

Hier erscheint die Aufforderung!