Die Tänzer gehörten zu den ersten, die Anfang der 90er Jahre vom Rhein an die Spree abwanderten. „Inzwischen sind viele Tänzer wieder aus Berlin zurückgekommen“, beobachtet Beate Sokoll, die Künstlerische Leiterin der Reihe Tanzkonkret in der Kölner Orangerie. Dass der Tanz in Nordrhein-Westfalen stärker gefördert wird als in Berlin, davon ist auch die Kulturmanagerin Mechthild Tellmann überzeugt. „In Berlin und Potsdam sind die Häuser geschaffen, wunderbar angelegt, aber es fehlt die Förderung für die Produktionen“. In Köln ist die Situation fatal, weil es mit dem Stollwerck, der Alten Feuerwache und der Orangerie nur schlecht ausgerüstete Bühnen gibt, und die Tanz-Kompanien diese von ihren Fördergeldern anmieten müssen.
In Köln leben zwar 50 Prozent aller Tanzschaffenden Nordrhein-Westfalens, aber das Publikum weiß, dass es nicht einfach ist, deren Produktionen überhaupt in Augenschein nehmen zu können. Gefördert werden drei Aufführungen. Wer nicht gleich nach der Premiere zur Stelle ist, kann sich nur von den anderen erzählen lassen, was er verpasst hat. „Diese Art von Förderung ist eigentlich rausgeschmissenes Geld“, meint Beate Sokoll. Denn wenn es einige Wochen später gelingen sollte, eine zweite Aufführungsstaffel zu organisieren, müssen die Tänzer erneut in die Proben, oder sie haben andere Engagements, dann müssen neue Tänzer gefunden werden, und das Stück erhält einen anderen Charakter. Dennoch gibt es Kompanien wie Silke Z.s Resistdance, die ihr Erfolgsstück „Private Spaces“ schon auf etlichen europäischen Bühnen zeigen konnte. „Im Schnitt braucht man dazu allerdings gut zwei Jahre Vorlauf, um eine Produktion ins Ausland zu verkaufen“, räumt Mechthild Tellmann ein. Zudem müssen entscheidende Fragen geklärt werden: Wer bezahlt die Reise, wo wohnt das Ensemble, und welche Gage erhalten die Tänzer? Oftmals springt für die nicht mehr als ein Hunderter am Abend heraus. Und dabei haben sie für die Probenzeiten, die sich zwischen vier und acht Wochen hinziehen, zumeist nicht mehr als 1.500 Euro erhalten, und das für täglich sechs Stunden Schwerstarbeit. Bei einem Verteilungsschlüssel der Abendeinnahmen von 70 Prozent für die Künstler und 30 Prozent für den Veranstalter können die Kompanien der Freien Szene aber nicht mehr zahlen. Die Ausgaben für Werbung, Ausstattung, Technik und Portokosten holt niemand mit Eintrittsgeldern von etwa 12 Euro die Karte an drei gut besuchten Abenden wieder herein. Ein Tanzhaus, wie es in Köln immer wieder versprochen wurde – Generationen warten darauf – könnte eine Verbesserung bedeuten. Die fixen Kosten ließen sich auf alle Beteiligten umlegen, so dass die einzelnen Produktionen leichter zu realisieren wären. Außerdem wäre es für die Gruppen möglich, an jenem internationalen Festivalaustausch teilzunehmen, der ihnen die Chance bietet, in anderen Städten zu gastieren, weil sie deren Kompanien auch nach Köln einladen könnten. Für das Publikum am Rhein sicher kein Nachteil.
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