Thomas Thorausch lebt seit 25 Jahren in Köln, er ist stellvertretender Leiter des Deutschen Tanzarchivs und kuratiert die Ausstellungen des Deutschen Tanzmuseums. Mit ihm ist ein ausgewiesener Kenner der Szene in den jetzt gewählten Tanzbeirat in Köln berufen worden.
choices: Wie sehen Sie die Situation des Tanzes in Köln?
Thomas Thorausch: Ich staune immer wieder, dass in Köln noch so viel passiert, die Tänzer so viel Engagement zeigen und die Stadt noch ein so kreativer Ort für den Tanz ist. Das ist einfach ein Faszinosum, wenn man bedenkt, wie viel produziert wird und wie selten doch die Arbeiten zu sehen sind. Das kann einen als Künstler eigentlich nur deprimieren. Andererseits ist es natürlich so, dass jeder Choreograph weiß: Ich bekomme nur Geld, wenn ich produziere. Das ist im Grunde eine moderne Form von Sklaventum.
Vor allem gibt es keine gescheiten Aufführungsmöglichkeiten. Wir sitzen in einer Wüste.
Wir sitzen allerdings in einer Wüste, in der die Quellen in Düsseldorf und Essen fleißig sprudeln, und wir fahren ja auch dorthin.
Sehen Sie einen Ausweg?
An dem grundlegend beklagenswerten Zustand in der Stadt ändert sich nichts. Ich spüre ein großes Desinteresse in der Politik. Ich will dem Kulturamt sein Engagement nicht absprechen, aber von der Politik ist immer weniger zu erwarten. Früher hat man gesagt, die Verwaltung bremst die Politik aus, im Tanzbereich scheint es genau umgekehrt zu sein. Ich habe zum Beispiel lange keinen Politiker mehr zur Situation des Tanzes sprechen hören.
Nach hochfahrenden Plänen und Versprechungen ist die Idee eines Tanzhauses für Köln doch mausetot?
Ja, das Tanzhaus ist mausetot, genauso übrigens wie der Plan, eine eigene Städtische Tanzkompanie zu gründen.
Warum sehen Sie keine Chance für eine eigene Kompanie? Politik und Dezernat behaupten ja immer noch, dass sie realisiert werden soll.
Die Kompanie ist eine Angelegenheit des Intendanten. Warum sollte ein Intendant mit den Erfahrungen von Karin Beier im Rücken - die unablässig mit Kürzungsabsichten von Seiten der Stadt konfrontiert wird – ein solches Abenteuer eingehen. Statt seinen Etat zu belasten, wird jeder Intendant versuchen, den Bestand zu erhalten und vielleicht einen kleinen Puffer anzulegen, um das Schlimmste zu verhindern.
Sie sprühen nicht gerade vor Optimismus.
Ich erwarte von der Politik in Köln einfach keinen Ort mehr für Tanz. Die Politik wird offenbar von der Realität der Tanzszene nicht mehr erreicht. Da hat sich etwas abgekoppelt. Man muss sich angesichts der Haushaltslage auf das beschränken, was man will, und der Tanz gehört nicht dazu.
Ich bin auch gar kein Freund eines Tanzhauses, vielmehr würde ich mir einen Ort wünschen, an dem Musik und Tanz zusammenkommen. Ich hatte große Hoffnungen auf den Ausbau des alten Rautenstrauch-Joest Museums gesetzt. Ein Haus für den Tanz wird es nur geben, wenn sich eine Einzelperson oder eine Gruppe findet, die sagt: Wir schaffen uns selbst einen Ort und nehmen das in die eigene Hand!
Die Szene hat Sie in den Tanzbeirat gewählt, was erhoffen sie sich von diesem Gremium?
Vielleicht kann ich ja an richtiger Stelle die Sache des Tanzes zu Gehör bringen, mit Leuten ins Gespräch kommen und sozusagen – dicke Bretter bohren.
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