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Martin Hansen in: Baader – Choreografie einer Radikalisierung, Ch.: Christoph Winkler
Foto: Klaus Dilger

„Quander rettet den Tanz nicht“

27. März 2013

Kulturdezernent kommt dem Auftrag der Politik nicht nach – Tanz in Köln 04/13

Für choices sprach Klaus Keil mit den beiden Geschäftsführern des tanZbüro koeln, Achim Conrad und Klaus Dilger, über die Lage des Tanzes in Köln.

choices: Herr Conrad, Herr Dilger, Fördermittel werden gestrichen, eingeführte Tanzorte geschlossen, die Gastspielreihe Tanz wird eingestellt. Mal ehrlich: Ist der Tanz in Köln eigentlich noch zu retten?
Klaus Dilger:
Zunächst einmal ist der Haushalt ja noch nicht entschieden und es handelt sich bei den „Einsparungen“ um Vorschläge der Verwaltung. Bei all unseren Gesprächen mit der Politik erhalten wir unisono klare Bekenntnisse zum Tanz und zur Sparte Tanz. Vor wenigen Tagen erst hatten wir auch mit der Verwaltung ein sehr konstruktives Gespräch. Nach Jahren des Einzelkämpfertums hat die Tanzszene vor zwei Jahren begonnen, ihren gemeinsamen Gestaltungswillen mit dem Tanzentwicklungsplan zu manifestieren und Transparenz einzufordern. Dies war und ist ein steiniger Weg, so viele Informationen zu sammeln, dass hierdurch gesicherte Evaluationen in allen Bereichen des Tanzes durchgeführt werden können, die dann wiederum als Entscheidungsgrundlage belastbar herangezogen werden können.
Achim Conrad:
Die „Sparvorschläge“ der Verwaltung im Doppelhaushalt 2013/2014 zum Tanz entbehren dieser Grundlage zum Teil und müssen daher korrigiert werden. Es zeichnet eine gute Verwaltung aus, wenn sie den Willen und die Kraft aufbringt, dies zu tun.

Aber wie erklären Sie sich diesen Widerspruch: Die seit Jahren erfolgreiche Gastspielreihe Tanz, die volle Häuser garantiert, soll eingestellt werden! Wer hat denn diesen kulturpolitischen Unsinn zu verantworten?
Dilger:
Das ist ein sehr komplexer Vorgang, bei dem man nicht auf eine einzelne Person allein zeigen kann: Der eigentliche Grund der Kürzungen war die Einschätzung bei den Verantwortlichen, dass der Tanz keine Lobby in der Stadt Köln habe und daher das schwächste Opfer sei. Die Ursache ist der schnelle Abbau eines außerplanmäßigen Defizits der Städtischen Bühnen in Millionenhöhe – mutmaßlich verursacht durch den gefeuerten Opern-Intendanten Laufenberg – aus dem letzten Jahr. Obwohl der Tanz, der ja in Köln an den Bühnen nur in Form von Internationalen Gastspielen vorkommt und hierfür eine Million eingestellt bekommen hat, nicht an den Defiziten beteiligt ist, soll er nicht nur die Hauptlast des Abbaus tragen, sondern nun sogar auf null gekürzt werden. Sowohl die Politik im Kunst- und Kulturausschuss als auch die neuen Intendanten in Oper und Schauspiel geben ein Bekenntnis zum Tanz ab. Der Noch-Dezernent für Kultur, Georg Quander, hatte den Auftrag der Politik, den Tanz zu retten, indem er andere Sparmöglichkeiten findet, hat dies aber nicht getan. Immerhin ist offensichtlich geworden, dass die Tanzgastspiele die attraktivste und günstigste Option darstellen, um Schließtage zu vermeiden. Daher wären eigentlich die Bühnen gefordert, die hierfür notwendigen Mittel bereitzustellen, um den Tanz an den Bühnen zu erhalten.
Conrad:
Zwei Hochschulen, die den Tanz und Tanzvermittlung sowohl als BA- und MA-Studiengang anbieten, die Rheinische Musikschule, die Tanz auf hohem Niveau den Hochschulen zuführt, und die gesamte Freie Szene, die in Netzwerken und Workshops eng mit den Gastspielen kooperiert, wären düpiert durch den Wegfall der Internationalen Tanzereignisse. Denn die sind gleichzeitig ein wesentlicher Baustein der Publikumsgewinnung für den Tanz und dienen als Identifikationsbeispiele für die Kinder und Jugendliche. Der Oberbürgermeister beginnt, zu erkennen, dass der Tanz sich neu organisiert hat und keineswegs mehr ohne Lobby dasteht.

Wenn ich Sie richtig verstehe, soll der Tanz also die finanziellen Löcher im Bühnen-Etat stopfen. Und man nimmt billigend in Kauf, dass die städtischen Bühnen demnächst tanzfreie Zone werden?
Conrad:
Daran wollen wir nicht glauben. Wir halten sowohl die Intendanten von Oper und Schauspiel als auch die Politiker für verantwortungsbewusst Handelnde. Die Vorgaben zur Tilgung des Defizits der Bühnen müssen gestreckt werden, mehr Zeit muss eingeräumt werden. Dies würde es den Intendanten wohl erlauben, die Gastspiele Tanz in ihrer jetzigen Form aufrecht zu erhalten.

Wo liegen eigentlich die Ursachen für die so offensichtliche Geringschätzung des Tanzes in Köln? Fehlt es dem Tanz an prominenten Förderern?
Dilger:
Dies ist kein Kölner Problem allein. Woran es letztlich immer noch mangelt, ist die Erkenntnis, dass Tanz wertvoll ist für die Gesellschaft. Hieran müssen wir weiter arbeiten, indem wir den Tanz weiter so sichtbar machen, wie wir dies im letzten Jahr durch tanzwebkoeln.de getan haben. Noch vor wenigen Jahren konnte davon ausgegangen werden, dass Choreographie eine Form des Denkens ist, die wertvolle Schlüsse liefert, um Antworten auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu geben. Das war weltweit Konsens. Dies war die Zeit, in der die Künstler noch im Vordergrund standen. Danach haben einige Leute in Deutschland beschlossen, die „Nichtkünstler“ in den Vordergrund zu stellen und den Tanz so zu bürsten, dass er sich besser verkaufen lässt, ohne dabei auf den finanziellen, seelischen und geistigen Erhalt der Künstler zu achten. Das Ergebnis ist bekannt. Warum haben denn die bestsubventionierten freien Strukturen in Deutschland keine großen Tanzkünstler hervorgebracht, während Ministaaten wie Belgien gleichzeitig ein Tanzerdbeben auslösen konnten?

Mit dem Verein tanZ köln gibt es ja seit einiger Zeit eine neue Lobby-Gruppe, die analog zu dem NRW-Landesbüro Tanz auch ein Kölner Tanzbüro einrichten wird. Vor welchen Aufgaben stehen Sie denn als Geschäftsführer des tanZbüro koeln?
Conrad:
Unsere wichtigste Aufgabe besteht in der schrittweisen Umsetzung des Tanzentwicklungsplan Köln. In diesem Masterplan, der weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus sogar internationale Anerkennung findet, hat die Tanzszene ein feines Geflecht von Modulen und Multiplikatoren entworfen, die dem Tanz in Köln die harten und weichen Strukturen verschaffen, die ein professionelles und international konkurrenzfähiges Tanzschaffen ermöglichen. Hierzu gehören auch wirkungsvolle Maßnahmen zur Verankerung der Kunstsparte in der Gesellschaft und zur Gewinnung eines neuen Publikums für den Tanz. Diese konstruktive Arbeit geht weit über eine Vertretung von Einzelinteressen hinaus, sie ist in erster Linie dem Tanz verpflichtet.

Erreichen Sie denn über die parallel geschaffene Website „tanzwebkoeln.de“ auch neue Tanzinteressierte?
Conrad:
Der Erfolg von tanZwebkoeln.de ist enorm. Mehr als 50.000 Besucher, 500.000 Seitenaufrufe und über 1 Million Zugriffe innerhalb der kurzen Zeit des Bestehens sprechen für sich. Aber wir sind eigentlich erst ganz am Anfang. Durch genaue Beobachtung und Analyse können wir sehr genau die Ergebnisse der Arbeit verfolgen. Die Qualität des Kölner Tanzschaffens und Tanzgeschehens sichtbar zu machen erzeugt ein zunehmendes Interesse in der Gesellschaft, das sich auch in den Zuschauerzahlen der Aufführungen bemerkbar macht.

Mit Ihrer gerade veröffentlichten Broschüre „access to dance“ belegen Sie sehr eindrucksvoll die Leistungskraft der freien Tanzszene, die monatlich bis zu 30 Abendvorstellungen auf die Beine stellt. Ist die freie Tanzszene stark genug, um das selbstverschuldete Kölner Tanz-Vakuum zu füllen?
Dilger:
In der Broschüre wird ja vor allem eines deutlich: Das Tanzgeschehen in Köln besticht durch eine Vielfalt auf hohem Niveau. Auf den Seiten finden Sie ganz selbstverständlich das großartige „Drummings“ von ROSAS im Rahmen der Internationalen Tanzgastspiele an den Bühnen neben den Premierenrezensionen der Kölner Choreografen auf Augenhöhe.
Conrad:
Wir arbeiten hart daran, diese Vielfalt zu erhalten und den Standort Köln so attraktiv zu machen, dass sich auch die Besten des Tanzes in Köln wohlfühlen und gerne hier arbeiten wollen.

Weitere Infos unter: www.tanzwebkoeln.de | www.tanzkoeln.de

INTERVIEW: KLAUS KEIL

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