Ein Reh, das sich in ein abstraktes Blumenwesen verliebt – ist das verrückt? In eine surreale Welt entführt Charlotte Sprenger mit ihrer avantgardistischen Neuinterpretation von Shakespeares „Was ihr wollt“. Ihre Inszenierung konfrontiert Klassik mit digitaler Zukunft – das Ergebnis ist ein faszinierendes und verstörendes Spiel mit der Realität. Hauptfigur Billy findet im virtuellen Land Illyrien aus dem Computerspiel „Twelfth Night“ Zuflucht vor der Realität. Hier existieren keine festen Regeln – und nicht nur die Geschlechter sind fluid. Auf tiefgehende Gender-Debatten verzichtet Sprenger; ihre Wesen bewegen sich eher zwischen traumhaften Fantasien und digitalen Avataren. Vom Reh über eine Drag Queen und einen Käfer bis hin zu einer Pizza: Die Kostüme von Josa Marx tragen nicht nur zur surrealen Wirkung bei, sie sind auch ein Kommentar zur Beliebigkeit von Identitätsdarstellungen.
Sprenger nimmt sich die Freiheit, das Stück weitgehend umzustrukturieren. Figuren werden vertauscht, Rollen neu verteilt – ein mutiger Schritt, mit dem die Regisseurin traditionelle Machtverhältnisse hinterfragt: Onkel Sir Toby wird zur Schwester von Olivia, Zofe Maria zum eisernen Ritter, und weniger beachtete Charaktere wie Malvolio erhalten mehr Raum. Ein zentrales Thema ist die Auflösung der Grenzen zwischen Realität und Simulation. Live-Kameras erweitern die Bühne, während auf einem Bildschirm zu sehen ist, wie Billy das „Spiel“ erlebt. Gleichzeitig durchbrechen die Spieler:innen die vierte Wand, sodass ein fesselndes Meta-Spiel entsteht. „Was ihr wollt“ ist ein kaleidoskopischer Trip mit viel Humor und Absurdität, der die Grenzen des Theaters neu auslotet.
Was ihr wollt | So 13.4. 18 Uhr | Schauspiel Köln | 0221 22 12 84 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Lebensgeschichten für Leerstellen
„Vatermal“ am Schauspiel Köln – Prolog 01/25
Vererbte Traumata
Stück über das Thiaroye-Massaker am Schauspiel Köln – Prolog 12/24
Flucht auf die Titanic
„Muttertier“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/24
Parolen in Druckerschwärze
„Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ am Schauspiel Köln – Auftritt 03/24
„Es wird ein Kampf um Vormachtstellung propagiert“
Rafael Sanchez inszeniert „Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Premiere 03/24
Dunkle Faszination
Franz Kafkas „Der Prozess“ am Schauspiel Köln – Auftritt 02/24
Wiederholungsschleife
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 02/24
Standbein und Spielbein
Pinar Karabulut und Rafael Sanchez gehen nach Zürich – Theater in NRW 01/24
„Der Roman lässt mich empathisch werden mit einer Mörderin“
Regisseur Bastian Kraft über „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Premiere 01/24
Ein Martyrium der Erniedrigung
„Kim Jiyoung, geboren 1982“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/23
Ohne Opfer kein Krimi
„Soko Tatort“ am Schauspiel Köln – Prolog 12/23
Ende der Zivilisation
„Eigentum“ am Schauspiel Köln – Theater am Rhein 11/23
„Wir suchen Orte der Wut und Traurigkeit auf“
Dana Khamis und Judith Niggehoff vom Jugendclub Polylux über „Trauer//Fall“ am Schauspiel Köln – Premiere 04/25
Die Zukunft lauert im Egoisten
„Der ewige Spiesser“ am Theater der Keller – Auftritt 04/25
Im Schatten der Diktatur
„Jugend ohne Gott“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 03/25
Freiheit oder Ausgrenzung?
„Draußen“ im Jugendpark Köln-Mülheim – Prolog 03/25
Der Mensch als Scherbe
„Der zerbrochene Krug“ am Horizont Theater – Theater am Rhein 03/25
Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25
Fixer im Dienst der Wahrheit
„Making the Story“ am Schauspiel Köln – Prolog 03/25
„Ich erwische mich dabei, Stofftaschentücher zu bügeln“
Regisseur Sebastian Kreyer und Schauspieler Daniel Breitfelder über „Der ewige Spiesser“ am TdK – Premiere 03/25
Spiegelbild der Wutbürger
„Kohlhaas (Can‘t Get No Satisfaction)“ am Schauspiel Bad Godesberg – Auftritt 03/25
Skurrile Denkanstöße
„Der Tatortreiniger“ am Bonner Contra-Kreis-Theater – Prolog 02/25
De Rach vun der Fleddermus
„De Kölsche Fledermaus“ an der Oper Köln – Theater am Rhein 02/25
Das Ende der Herrlichkeit
„Der Fall Ransohoff “ am Orangerie Theater – Theater am Rhein 02/25
„Es geht einzig und allein um Macht“
Regisseur Volker Lippmann über „Fräulein Julie“ am Theater Tiefrot – Premiere 02/25