Totale Berührung
„Do not touch!“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 03/25
Es schreit. Es reißt. Es flüstert, singt, wütet und umarmt Welten. „Do not touch!“ im Theater der Keller ist trotz des Appells zur Wahrung von Distanz eine emotionale Überwältigung, die einem Frontalzusammenstoß geladener Elemente im Genfer CERN-Teilchenbeschleuniger entspricht. Die Kollision der von den Darsteller:innen freigesetzten Gefühle mit dem Publikum kann zur Entstehung neuer Welten führen. Die dazu notwendigen Stoffe sind uralt. Es sind die gleichen Inhalte, die seit Äonen Geist in Materie und Materie in bewusste Bewegung versetzen. Gemäß dieser Komplexität verbietet sich die Darstellung limitierter Geschichten um etwa Selbstverwirklichung und Erfolg. Das Konzept der 90-minütigen Inszenierung unter der Regie von Heinz Simon Keller schöpft aus der Essenz: Liebe, Hoffnung, Leidenschaft. Der Glaube ist dafür nicht nötig. Man kann ihn sich sparen. Dennoch braucht es Antworten: Was schreit es denn nun? Woran reißt es? Was flüstert und singt es – das Unerhörte? An den unsichtbaren, viel zu oft selbstangelegten Ketten.
„Do not touch“ zelebriert die Künste als vielleicht einzig verbliebenem Weg zum Humanismus, nachdem Politik, Religionen, Kapitalismus und Kommunismus versagt haben. Das Pathos ist ein meist verstimmtes Instrument, hier aber erlaubtes Mittel zum Zweck. Ob die Produktion mit Querverweisen aus der Kunsthistorie (z.B. Elfriede Jelinek, Pablo Picasso und Anselm Kiefer) nun der Enthüllung eines genialen Gemäldes, einem berauschenden Konzert oder der Premiere eines nicht minder bewusstseinserweiternden, autobiografischen Bühnenstücks huldigt, bleibt unwesentlich. Das Ensemble um Susanne Seufert, Celine Hambach, Ruben Fritz und Matthias Lühn entfacht in einer selbstreflektieren Performance Leuchtfeuer zum Abstieg in die eigenen Abgründe und vergisst die Treppen Richtung Horizont nicht. Begleitet von Glob Chepki am E-Piano spielt sich das charismatische Quartett durch einen interstellaren Soundtrack (unter anderem Radioheads „Creep“ und „Touch me“ von The Doors), dessen Songs einem ultimativen Meistertwerk huldigen: Dem Leben – der größten Show aller Zeiten. Das muss man nicht immer verstehen, aber spüren, festhalten und im Angesicht der Verwunderung wieder loslassen. Es schreit!
Do not touch! Ein Abend über das Abenteuer der Kunst mit Musik von Faber bis Lindenberg | 6., 7.3. je 20 Uhr, weitere Termine in Planung | Theater der Keller | 0221 31 80 59
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