Ihre Namen lauten A, B und C und sie besteigen einen Berg. Jede:r für sich. Zwischendurch begegnen sie sich in unterschiedlichen Konstellationen. Am Ende ist der Gipfel erklommen, doch eine:r fehlt. Das Setting in Teresa Doplers Stück „Monte Rosa“ ist denkbar einfach – und doch erstaunlich mehrdeutig. Auf den ersten Blick lasse sich das als „Metapher auf die Leistungsgesellschaft“ lesen, so Julie Grothgar, die das Stück am Theater der Keller herausbringt. Das Trio „bewegt sich in einer Extremsituation“. Je länger man diesen Figuren zusieht und -hört, desto befremdlicher werden sie allerdings. Für die drei Alpinist:innen gibt es nichts als die Bergwelt – kein Tal, kein Alltag, kein Zuhause. Ihr ganzes Denken kreist unablässig und besessen um die Gipfelbesteigung. Für Julie Grothgar bleibt deshalb auch die Frage, ob diese Bergwelt wirklich als Realität oder nicht eher auch als Fantasie zu interpretieren sei.
Eine Frage, die sich unweigerlich stellt, ist die nach der Besetzung. Bei der Uraufführung vor zwei Jahren in Hannover standen drei Männer auf der Bühne, doch Folgeaufführungen wechselten geschlechtlich munter durch. Julie Grothgar hatte zunächst auch eine rein männliche Besetzung erwogen, sich dann aber für eine Besetzung mit Markus J. Bachmann, Johannes Breitfelder und Johanna Pausacker entschieden. „Monte Rosa“ lässt sich zwar durchaus als Abgesang auf überkommene hegemoniale Männerbilder und -rituale lesen, aber die Lektüre lässt auch eine weitergehende Interpretation zu. Immer wieder fügt die österreichischen Autorin Teresa Dopler in die Dialoge Warnungen vor dem „Steinschlag“ im Gebirge hinzu. Was zunächst nach einem Synonym für den Klimawandel in der alpinen Welt klingt, lässt sich auch grundsätzlich verstehen: „Diese ständige Bedrohung des herabstürzenden Berges, das ist eine sehr starke Metapher für das, was der Mensch in Jahrtausenden geschaffen hat, und das jetzt einzustürzen droht“, so Julie Grothgar. Doch die Dystopie ist nicht das letzte Wort. „Mir kamen die Figuren am Anfang des Stücks“, so die Regisseurin, „wie automatisierte Menschen vor, die keinen Kontakt mehr zu ihrer Menschlichkeit haben – am Ende allerdings sind sie weit menschlicher als zu Beginn.“ Nicht zuletzt, weil sich eine Liebesbeziehung anbahnt.
Monte Rosa | 22., 23.2. | Theater der Keller | 0221 31 80 59
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Die Existenzkrise der Kunst
„Do not touch“ am TdK
Schussbereite Romantik
„Der Reichsbürger“ in der Kölner Innenstadt – Auftritt 01/25
Fluch der Stille
„Ruhestörung“ am TdK – Theater am Rhein 12/24
Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24
Bis der Himmel fällt
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 09/24
Der Witz und das Unheimliche
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Prolog 08/24
Schöpfung ohne Schöpfer
Max Fischs Erzählung „Der Mensch erscheint im Holozän“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 05/24
„Wir wissen nicht viel über das Universum“
Ronny Miersch inszeniert „Der Mensch erscheint im Holozän“ am TdK – Premiere 04/24
Schleudergang der Pubertät
„Frühlings Erwachen: Baby, I‘m burning“ am Theater der Keller – Auftritt 11/23
Komik der Apokalypse
„Die Matrix“ im Theater der Keller – Theater am Rhein 10/23
Sonnenstürme der Kellerkinder
1. Ausbildungsjahr der Rheinkompanie – Theater am Rhein 08/23
„Die starke Kraft der Träume anzapfen“
Intendant Heinz Simon Keller über „Die Matrix“ am Theater der Keller – Premiere 08/23
Klamauk und Trauer
„Die Brüder Löwenherz“ in Bonn – Theater am Rhein 01/25
Ein Bild von einem Mann
„Nachtland“ am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 12/24
Im Land der Täter
„Fremd“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 12/24
Freude und Bedrückung
35. Vergabe der Kölner Tanz- und Theaterpreise in der SK Stiftung Kultur – Bühne 12/24
Das Mensch
„Are you human“ am TiB – Theater am Rhein 12/24
Lang lebe das Nichts
„Der König stirbt“ am Schauspiel Köln – Auftritt 12/24
„Andere Realitäten schaffen“
Dramaturg Tim Mrosek über „Kaputt“ am Comedia Theater – Premiere 12/24
Vererbte Traumata
Stück über das Thiaroye-Massaker am Schauspiel Köln – Prolog 12/24
Selbsterwählte Höllen
„Posthuman Condition“ am FWT – Theater am Rhein 11/24
Tanzen gegen Rassentrennung
„Hairspray“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 11/24