Donnerstag, 8. Juni: Das Experiment, dass das junge Paar Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier auf sich genommen hat, sucht wahrlich seinesgleichen. Lediglich mit Rucksäcken und einem Zelt ausgestattet, begaben sich die beiden per Anhalter auf Reisen gen Osten. Mit dem Ziel, von Westen her wieder nach Deutschland zurückzukehren. Zwei kleine Kameras hatten sie bei ihrem abenteuerlichen Trip um die Welt mit dabei, um die Erlebnisse in Ländern wie Georgien, Iran, Pakistan, Indien, Nepal, China oder der Mongolei im Bild festzuhalten. Mit einem Minimalbudget ausgestattet, wollten sie nie das Flugzeug benutzen, was ihnen schließlich auch auf beeindruckende Weise gelungen ist. Außerplanmäßig kam auf der insgesamt dreieinhalbjährigen Reise noch die Schwangerschaft Gwens dazu, „die nicht geplant, aber auch nicht verhindert war“, wie Patrick Allgaier beim Publikumsgespräch im Kölner Odeon-Kino erläuterte. Denn nach ihrer rund 100.000 Kilometer langen Weltumrundung ist das Paar nach wie vor nicht so richtig zur Ruhe gekommen, da es nun mit dem zweistündigen Film „Weit – Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ auf Deutschland-Tournee ist.
Mit dem Vorsatz, „Fantasie in Erfahrung einzutauschen“, begaben sich die beiden mit minimalem Filmequipment auf Reisen. Aufnahmen, in denen sie beide im Bild zu sehen sind, lösten sie zu Beginn noch mit einem Stativ, das sie nach drei Monaten allerdings als zu lästig empfanden und weggaben. „Wir haben die Kamera dann auf einen Stein oder Rucksack gestellt und einfach laufen lassen. Oft bin ich durchs Bild gelaufen und danach die gleiche Strecke wieder zurück, um die Kamera wieder einzusammeln“, so Allgaier. Wenn Reisegefährten, oftmals die Autofahrer, die sie als Anhalter mitgenommen haben, mit im Bild waren, hatten die beiden Weltenbummler das im Vorfeld stets abgeklärt, schließlich sind die Mentalitäten dazu in den verschiedenen Ländern ganz unterschiedlich. Patrick und Gwen waren sich aber auch immer bewusst, dass sie auf ihrer Reise ohnehin genügend Material zusammenbekommen würden, um nicht alles filmisch festhalten zu müssen. Die Qual der Wahl beim Aussortieren war auch so noch groß genug. Eine zeitliche Vorgabe, wie lange die Reise insgesamt dauern würde, hatte sich das Paar nicht gemacht. Lediglich die Eltern wollten im Vorfeld gerne wissen, wann genau die beiden wieder zurückkämen. Aber Weisser und Allgaier wollten sich da nicht festlegen, stattdessen langsam reisen und sich keinem unnötigen Stress aussetzen. Obwohl sie oft fernab jeglicher Zivilisation unterwegs waren, kam es nie zu unliebsamen Begegnungen mit wilden Tieren. „Wir waren in der Hinsicht immer sehr vorsichtig und haben uns lautstark angekündigt, dann haben die Tiere ja ohnehin meist mehr Angst als man selbst und verziehen sich schnell wieder“, erzählte Gwendolin Weisser im Odeon.
Dass aus der Tour am Ende auch ein Film werden würde, war den beiden Abenteurern von Anfang an klar, schließlich ist Patrick Allgaier professioneller Kameramann. Zunächst hatte man aber lediglich die Idee, das Ergebnis Freunden und Verwandten zu zeigen und eventuell auch das eine oder andere kommunale Kino in ihrer Heimatregion Freiburg im Breisgau zu begeistern. Aber dort war die Resonanz auf „Weit – Die Geschichte von einem Weg um die Welt“ dermaßen groß, dass sich der Film in kurzer Zeit zum erfolgreichsten entwickelte, der jemals in Freiburg gelaufen war. Daraufhin wurden auch andere Kinos in anderen Städten Deutschlands aufmerksam, was nun in der groß angelegten Kinotour der beiden durch die Republik gipfelte. Auch nach ihrer Heimkehr vor knapp zwei Jahren war deswegen an eine Rückkehr in den Alltag gar nicht zu denken. Nahtlos ging man dazu über, das Material zu sichten und zu schneiden. Parallel zur Entwicklung des Kinofilms brachten Weisser und Allgaier auch ein Buch über ihre Erlebnisse heraus, das sie zwischen den Vorstellungen im Foyer des Odeon-Kinos verkauften und signierten. Trotzdem hat sich ihr Zugang zum Leben und ihre Sicht auf die Dinge nach der Weltumrundung grundlegend geändert: „Wir leben ein anderes, entspannteres, unkonventionelleres Leben als vor der Reise. Wir sind bescheidener geworden, und besitzen weniger Dinge als zuvor. Das war alles in allem eine sehr positive Reise für uns“, schloss Gwendolin Weisser das Publikumsgespräch nach der Köln Premiere des Films.
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