Mit einem Rekord von 27.000 Besuchern feierte das Juicy Beats seine 18. Ausgabe musikalisch bunt und friedlich wie ein Hippiefest. Während die Headliner Marteria und Fritz Kalkbrenner die Wiese an der Mainstage restlos füllten, fand man vor den kleineren Bühnen die Festivalmomente, für die das Juicy Beats so beliebt ist. Denn auf dem riesigen Areal des Dortmunder Westfalenparks zerstreuen sich die Menschenmassen stets elegant zwischen Rosengärten und Lavendelstauden. Keines der großen Festival erzeugt durch die zahllosen Gelegenheiten zum Hinflätzen und Ausruhen eine familiärere und gemütlichere Atmosphäre.
Warum Grossstadtgeflüster das Festival mittags quasi eröffnen müssen, bleibt ein Mysterium. Der sehnlich erwartete Auftritt des herrliche rotzigen Elektropoppunk-Trios fällt dann auch leider einer ungünstigen Kombination aus Gewitter und Anfahrt zum Opfer. Da bleibt nur noch, sich schweren Herzens von den Crystal Fighters loszureißen (unglücklicherweise zunächst in die falsche Richtung), um wenigstens noch Susanne Blech erleben zu können. Lokalpatriotismus könnte man meinen, aber die Gigs der irgendwo zwischen Herne und Düsseldorf aus der Erdkruste erruptierten Band sind längst kein Geheimtipp mehr.
Kaum erstaunlich, dass Susanne Blech bei der 18. Ausgabe des Juicy Beats gleich zweimal ran dürfen. Kaum fassbar, was man sich bei der Location wie dem die Hitze stauenden Zirkuszelt mitten in der prallen Julisonne gedacht hat. Bei wie im Innern eines Hochofens ballernden Temperaturen schmelzen die sechs Jungs von Susanne Blech zu flüssigem Stahl. Zu so kryptischen Titeln wie „Vietnam, DANCE!“ oder „Bankangestellte erzählen von Mailand“ schmilzt auch das Publikum buchstäblich dahin. Vom Adrenalin fördernden Opener an tobt es nicht nur in bekannter Manier auf der Bühne, sondern auch davor. Die besten Stücke des Debüts „Triumph der Maschine“ werden gefeiert als gäbe es weder ein Morgen, noch überhaupt irgendeine andere Band an diesem Tag. Aus Konfettikanonen geschossener Goldglitter klebt an zuckenden und schwitzenden Körpern. So muss elektronische Tanzmusik sein. Nach 45 Minuten ist die Ekstase vorbei, die zweite Runde beginnt wenig später, nach einer kurzen Verschnaufpause vor der Mainstage bei frischer Luft.
Dort feiert sich Left Boy derweil selbst, Rappnummern werden mit nervigen Samplern gemischt. Menschen mit Mc Fitti-Konterfeits aus Pappe schlendern vorbei und signalisieren, dass wir den durch YouTube bekannt gewordenen HipHopper und WhatsApper aus Berlin trotz „30 Grad“ wohl auch verpasst haben. Zeit dies zu bedauern bleibt aber kaum. Susanne Blech bitten zum zweiten Tanz, der nicht weniger frenetisch ausfällt. Im nächsten Jahr bitte mindestens auf der FZW-Bühne unter freiem Himmel.
Plätze zur Erholung finden sich im Anschluss überall im Park. Ob an den kleineren Bühnen oder auf freier Wiese. Nach einer Stippvisite bei einer der neu eingerichteten Trinkwasserstationen – zweifellos die großartigste Innovation der Juicy Beats 2013 – trocknet die Abendsonne Schweiß und Wasserspielexzesse. Eine Kleinfamilie spielt Frisbee, ein Mädchen mit langen Dreads windet sich in einem Hula-Hoop-Reifen. Über uns ein wattebauschiger Himmel, von weit her klingt Marterias „Lila Wolken“ heran. Auch das ist Juicy Beats: sitzen, chillen, Seele baumeln lassen. Ein bisschen wie Woodstock, allerdings mit viel mehr Müll, was den Eindruck eines Sommernachtstraums gefühlt noch mehr trübt als in den Vorjahren.
Auch die träumerischen Klänge von The Notwist können beruhigt im Sitzen genossen werden, so harmonisch gleiten die zwischen Elektropop und Independent flirrenden Songs der deutschen Band über die Wiese hinweg. Ein kurzer Abstecher zu der dicht gefüllten Fläche vor der Mainstage, wo Fritz Kalkbrenner bereits in voller Action zugange ist, bestätigt aber darin, zurück Friska Viljor zu flanieren.
Da mag „Sky and Sand" ein Meilenstein der Elektromusik sein, das typische Juicy Beats-Feeling kommt bei den Schweden von Friska Viljor auf. Zu deren folkig angehauchten Indiepop feiern einige in der Menge ihre eigene Party. Selbstversunken hüpft eine Gruppe Mänaden um ihre Taschen wie um ein Walpurgisnachts-Feuer, als die Dämmerung einsetzt. Pünktlich zum Sonnenuntergang wird das Publikum in die Nacht und zu den diversen Partyfloors mit DJ-Sets von Deep House über Drum'n'Bass bis Balkan Beats entlassen. Knicklichter glimmen auf, Glühwürmchen fluoriszieren zu den Füßen des illuminiert in die Nacht ragenden Forianturms. Ein würdiges Fest und eine rauschende Tanznacht zur Volljährigkeit des Juicy Beats. Der Appetit auf saftige Rhythmen 2014 dürfte damit bereits geweckt sein.
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