Die Empörung kennt keine Grenzen in Berlin. Kaum hat der Berliner Senat einen Gesetzesentwurf für den „Mietendeckel“ beschlossen, wettern Opposition und LobbyistInnen gegen Rot-Rot-Grün. Spricht die CDU noch von einer „populistischen Scheinlösung“, sieht der Verband „Haus & Grund“ einen „unverhohlenen Klassenkampf“. Die AfD bläst ins gleiche Horn. Laut Harald Letsch, „Wohnungsbauexperte“ der Berliner Rechtspopulisten, befinde sich die Hauptstadt im Würgegriff „ehemaliger Stasi-Leute“ und ihrer „kommunistischen Ideologie“.
Dabei soll der Mietendeckel nur die Explosion der Wohnungskosten begrenzen, die immer mehr Menschen zu schaffen macht. Die Folgen sind alarmierend: Besonders in deutschen Großstädten wie Berlin haben zehntausende kein Dach über dem Kopf, Hundertausende in der gesamten Bundesrepublik schlafen unter freiem Himmel. Es ist Ausdruck einer Polarisierung, die in den Berliner Reaktionen anklingt: die einen wollen ein Grundrecht auf Wohnen, die anderen eins auf grenzenlose Rendite.
Das schlägt sich in zwei gegensätzlichen Modellen nieder: USA und Finnland. Denn während sich die bundesrepublikanischen Verhältnisse zunehmend den US-amerikanischen annähern, in denen sich immer mehr Menschen bis in die Mittelschicht hinein und trotz mehrerer Jobs keine eigene Wohnung leisten können, überzeugt Finnland mit einem alternativen Konzept: genannt „Housing First“. Das Wohnen wurde dort als Grundrecht verankert.
Und das wurde seit dem Start des Programms im Jahr 2008 auf dem Straßenbild sichtbar: Zelte und Schlafsäcke verschwanden aus dem Stadtleben. Das Prinzip ist einfach: NGOs wie die „Y-Foundation“ erhalten vom finnischen Staat vergünstigte Anleihen, um Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Es wird also gebaut, saniert und schließlich mit den Obdachlosen ein vergünstigter Mietvertrag ausgemacht.
Das martkradikale Prinzip wird umgedreht: Die Betroffenen sollen nicht erst einen Arbeitsplatz (mit genug Gehalt) finden oder psychische Erkrankungen abschütteln, bevor sie ein neues Leben in den eigenen vier Wänden beginnen dürfen. Das klappte auch in Finnland Jahrzehnte lang nicht. Jetzt heißt es: erst die vier Wände, dann die Resozialisierung. Die Zahlen untermauern das Projekt: Innerhalb von zehn Jahren wurden 4.600 Wohnungen bereitgestellt. Zwar reichen diese Plätze noch immer nicht für alle Bedürftigen aus, doch die verblieben 1.900 Menschen können in bereitgestellten Notunterkünften schlafen. Finnland hat damit zumindest das Bedrohungsszenario, auf der Straße zu übernachten oder gar zu erfrieren, aus dem Alltag gebannt.
80 Prozent der Fälle bestätigen das Konzept. Sie behalten die Wohnung, profitieren von der sozialen Betreuung und suchen einen Job. Doch Bau, Ankauf und Renovierung der Wohnung kosten natürlich. Rund 270 Millionen hat der finnische Staat ausgegeben – und damit Geld gespart, insgesamt 15.000 Euro pro Obdachlosen im Jahr wie die NGO „Y-Foundation“ argumentiert: Denn wer die Menschen auf der Straße sich selbst überlässt, muss früher oder später finanziell für die sich anhäufenden Notfälle aufkommen: Erkrankungen und Verletzungen, Zusammenbrüche und Überfälle bis hin zu den bürokratischen Mühlen im Justiz- und Polizeisystem beanspruchen den Fiskus viel stärker.
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