Donnerstag, 26. Oktober: Wie aus den Vorjahren bereits gewohnt, bot das Film Festival Cologne zum Abschluss seines achttägigen Programms vor der abendlichen Preisverleihung im Filmpalast am Ring zu kostenlosem Eintritt die Möglichkeit, Einblicke in Leben und Wirken der Preisträger zu erhalten und selbst beim Q&A brennende Fragen loszuwerden. Im Mittelteil des nachmittäglichen Interview-Marathons trafen die ZuschauerInnen dabei auf zwei charmante Plauderer, die trotz ihrer großen internationalen Erfolge merklich auf dem Teppich geblieben sind und den Kinosaal dank offenherziger Einblicke und anekdotenreichen Erzählungen bestens zu unterhalten verstanden. Der International Actors Award 2023 ging an Oliver Masucci, der aus der deutschen Film-, Fernseh- und Streamingszene nicht mehr wegzudenken ist und seit einigen Jahren auch international für Furore sorgt, so z.B. in Blockbustern wie „Phantastische Tierwesen – Dumbledores Geheimnisse“ oder dem Netflix-Hit „Day Shift“ mit Jamie Foxx. Demnächst kann man ihn auch in Roman Polanskis neuestem Film „The Palace“ auf der großen Leinwand erleben. Im Gespräch mit der Film- und Medienwissenschaftlerin Prof. Lisa Gotto erzählte Masucci, dass er es als Sohn eines italienischen Gastarbeiters in seiner Kindheit nicht einfach gehabt hätte, da er weder in Deutschland noch in Italien richtig dazu gehört habe. Deswegen habe er schnell die Schauspielerei als Zuflucht für sich entdeckt, wie er es auch in seinem kürzlich erschienenen Buch „Träumertänzer“ geschildert habe.
Die Zuschauer berühren
Masuccis Vater hätte es am liebsten gesehen, wenn sein Sohn eines Tages sein Restaurant übernommen hätte, mit dessen Traum von der Schauspielerei konnte er nichts anfangen. „Mein Defizit lag darin, nicht wahrgenommen zu werden. Aufgrund dieser Ausgrenzungen habe ich mich dann auch selbst irgendwann ausgegrenzt“, erzählte der Schauspieler in Köln. Am Theater war er bald ein Star, der Durchbruch auf der Leinwand gelang ihm im Jahr 2015 mit seiner Interpretation Adolf Hitlers in „Er ist wieder da“. Regisseur David Wnendt habe damals aus mehreren Perspektiven gleichzeitig gefilmt, weswegen Masucci hier „zum Freund der Kamera“ geworden sei und „nicht mehr so angespannt war wie zuvor“. Nach Meinung des Schauspielers stecke in all seinen Rollen auch immer ein bisschen was von ihm selbst, denn er müsse nachempfinden können, wie die Figur tickt. „Ich will den Zuschauer berühren, und das geht nicht über eine große Distanz zur Figur“, erläuterte Masucci. Vor kurzem erst hat er in der Amazon-Serie „German Crime Story: Gefesselt“ den Säurefassmörder Raik Doormann verkörpert. In Gesprächen mit persönlichen Bekannten des Mannes hatte Masucci herausgefunden, dass dieser Psychopath auf viele wie ein netter, empathischer Typ gewirkt hätte. „Das hat mich an der Rolle fasziniert, dass man das Böse nicht sehen konnte“, ergänzte der Schauspieler im Filmpalast. Für ihn seien die komplexen Figuren immer die spannendsten, da jeder Mensch ohnehin voller Widersprüche stecke und Masucci diese durch seine Interpretationen auf der Leinwand ausloten könne.
Die Vielfalt der Kunst
Als nächsten Interviewpartner begrüßte Scott Roxborough den kanadischen Regisseur und Schauspieler Xavier Dolan („Matthias & Maxime“) auf der Bühne, der in diesem Jahr mit dem Hollywood Reporter Award ausgezeichnet wurde. Als Einflüsse auf sein Werk nannte dieser natürlich das konfliktreiche Verhältnis zu seiner Mutter (das Dolan bereits in seinem Debütfilm „I Killed My Mother“ als Aufhänger nahm), aber auch sein Aufwachsen mit schlechten Fernsehserien. „Ich bin viel eher vom Fernsehen als vom Kino beeinflusst und habe viele Filmklassiker bis heute noch nicht gesehen“, offenbarte Dolan. Nach ersten Rollen im Kindesalter entschloss er sich mit 19, sein Regiedebüt zu drehen, weil die Schauspielangebote dünner wurden und er von Themen erzählen wollte, die seinem Herzen und seinem Leben nahekamen. Dass er mittlerweile kein allzu großes Interesse mehr hat, Filme zu inszenieren, begründete er damit, dass Filmemachen extrem anstrengend sei und er nicht mehr die gleiche Energie und die gleiche Dringlichkeit habe, seine Geschichten zu erzählen. „Während der Pandemie habe ich an vielen verschiedenen Projekten geschrieben, aber ich möchte die Schmerzen nicht mehr ertragen, die mit dem Filmemachen einhergehen“, so Dolan. Seiner Meinung nach gäbe es genügend andere Möglichkeiten für ihn, sich künstlerisch auszudrücken: mit Kurzfilmen, Architektur oder einer Miniserie wie seinem jüngsten Projekt „The Night Logan Woke Up“, das ebenfalls auf dem Film Festival Cologne vorgestellt wurde. „Kunst ist sehr vielfältig, ich kann mich auch auf andere Weise verwirklichen, und ich möchte neue Horizonte für mich entdecken“, kommentierte Xavier Dolan seine Entscheidung, seiner Karriere mit 34 Jahren nun neue Impulse zu geben.
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