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Die Frau im Nebel

Die Frau im Nebel
Südkorea 2022, Laufzeit: 138 Min., FSK 16
Regie: Park Chan-Wook
Darsteller: Tang Wei, Park Hae-il, Kyung-Pyo Go
>> die-frau-im-nebel.de/

Fulminant inszenierter Neo Noir-Thriller um eine leidenschaftliche Affäre

Grenzenlose Leidenschaft
„Die Frau im Nebel“
von Park Chan-wook

Film Noir – die Schwarze Serie. So nennt man düstere amerikanische Kriminalfilme der 1940er und 1950er Jahre, die sich durch expressive Lichtgestaltung beziehungsweise Dunkelheit, eine ebenso düstere Weltsicht und einige andere charakteristische Merkmale bezüglich Gestaltung, Story und Protagonist:innen auszeichnen. Seitdem wurde nicht nur im Kino, aber vor allem dort, immer wieder Bezug auf diesen Stil genommen. Einen Neo Noir-Film könnte man auch das neueste Werk des koreanischen Regisseurs Park Chan-wook nennen: die vielen Nachtszenen, das Duo aus geheimnisvoller Frau und überfordertem Detektiv, die durch die Schlafstörung des Protagonisten somnambule Grundstimmung des Films – all das erinnert ebenso an die Klassiker der Schwarzen Serie wie an Psychothriller wie „Vertigo“ von Alfred Hitchcock.

Kommissar Jang Hae-joon (Park Hae-il, „The Host“) kommt bei einem Mordfall nicht weiter, als ein weiterer Todesfall seine Aufmerksamkeit erregt. Zwar sieht der Absturz eines Kletterers zunächst wie ein Unfall aus, doch der erfahrene Kriminalist stößt auf einige Ungereimtheiten. Merkwürdig ist auch die recht kühle Reaktion der jungen, schönen chinesischen Ehefrau auf den Tod ihres Mannes. Zugleich fühlt sich der Kommissar direkt beim ersten Zusammentreffen stark angezogen von der nun verwitweten Song Seo-rae (Tang Wei, auch zu sehen in Ang Lees „Gefahr und Begierde“). Die wiederum scheint auch Gefühle für Jang Hae-joon zu haben. Für den wäre eine Beziehung aber nicht nur wegen des unabgeschlossenen Falls heikel, denn er hat zudem in einer anderen Stadt eine Ehefrau, zu der er am Wochenende pendelt. Während die Mordfälle zunehmend verwirrender werden und seine Nähe zu der Witwe, die nach wie vor zu den Verdächtigen zählt, immer intimer, droht der Kommissar beruflich und auch privat den Durchblick zu verlieren. Zudem bleibt es nicht bei dem einen neuen Todesfall. 

Es ist gar nicht so einfach, die Story des Films wiederzugeben. Wer Filme von Park Chan-wook kennt, weiß, dass Plot-Twists – also überraschende Wendungen – und vertrackte, parallel oder nonlinear erzählte Handlungsstränge, zu den Spezialitäten des Regisseurs zählen. Im Jahr 2000 reüssierte Park Chan-wook, der seit den frühen 90er Jahren Filme macht, mit dem Politthriller „Joint Security Area“ in europäischen Kinos. Es folgten Rache-Epen wie „Sympathy for Mr. Vengeance“ (2002), „Oldboy“ (2003) und „Lady Vengeance“ (2005), die ihm seinen Ruf für brutale Schockmomente einbrachten. Überdrehte Satiren wie „I’m a Cyborg, but that’s Ok“ (2006) und „Durst“ (2009) relativierten den Eindruck nur bedingt, während er mit „Die Taschendiebin“ (2016) zuletzt ein raffiniertes, sexuell aufgeladenes Puzzle aus Macht und Leidenschaft ersann. Der verschlungene, wenn nicht gar verhedderte Handlungsstrang in „Die Frau im Nebel“ tut sein Übriges, um den Zuschauer:innen auch bei seinem neuen Film über fast zweieinhalb Stunden lang volle Konzentration abzuverlangen. Ein kurzer Augenblick der Unaufmerksamkeit kann schon dazu führen, dass man den nächsten Handlungsbogen nicht mehr ganz einordnen kann. Unnötig kompliziert? Eher eine passende Erzählform, um den inneren Zustand des Kommissars zu spiegeln, dem es inmitten seiner Fälle nicht anders gehen dürfte als dem Publikum des Films. Damit bedient sich Park Chan-wook eines weiteren Stilmittels des Film Noir – der extrem subjektiven Erzählweise, die in Filmen der Schwarzen Serie sogar zum exzessiven Gebrauch der subjektiven Kamera – also gefilmt aus Sicht des Protagonisten – geführt hat. So weit geht Park Chan-wook, der sehr wohl weiß, dass eine solch konsequente visuelle Perspektive nur eine kuriose Fußnote in der Filmgeschichte geblieben ist, nicht. Stattdessen sehen wir einen unglaublich elegant gefilmten und montierten Film, der trotz aller auch schonungslosen Dramatik vor allem durch Schönheit und Leidenschaft begeistert. Anders als in den früheren Filmen mit brutalen Showdowns, gibt es hier ein zwar nicht minder schockierendes, aber auch unglaublich herzzerreißendes Finale, dass man – Plot-Twist, siehe oben – an dieser Stelle natürlich nicht vorwegnehmen darf.

(Christian Meyer-Pröpstl)

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