Zeiten des Umbruchs
USA 2022, Laufzeit: 115 Min., FSK 12
Regie: James Gray
Darsteller: Anne Hathaway, Jeremy Strong, Banks Repeta, Anthony Hopkins
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Autofiktionales Coming of Age-Drama
Verlorene Unschuld
„Zeiten des Umbruchs“ von James Gray
Es ist das Jahr 1980. „Armageddon Time“, wie der im heftigen Wahlkampf mit Jim Carter befindliche Ronald Reagan, der alles zum Besseren wenden werde, warnt, falls man nicht ihn wähle. Das alles versteht der elfjährige Paul Graff (Michael Banks Repeta) noch nicht so richtig. Ihn interessiert vor allem die Rakete, die ihm sein Großvater (Anthony Hopkins) versprochen hatte. Und der neue Junge in der Klasse: Johnny (Jaylin Webb). Der ist genauso wie Paul immer für einen Spaß zu haben. Gemeinsam spielen sie die Klassenclowns.
Schon bald wundert sich Paul, dass der Lehrer bei seinen Bestrafungen seinen neuen, Schwarzen Freund immer strenger rannimmt als ihn. Und auch, dass Johnny aus Geldmangel nicht mit auf den Tagesausflug ins Guggenheim Museum kann, ist für Paul, der aus einer gut situierten Familie stammt, kaum zu verstehen. Denn Paul kommt aus einem recht behüteten Umfeld. Seine Familie hat ukrainisch-jüdische Wurzeln, aber das zurückliegende Leid in Europa ist nur unter vorgehaltener Hand ein Thema und wird vor dem Jungen fern gehalten. Nur sein Großvater, den er sehr liebt, erzählt ihm hin und wieder von den Schrecken des Krieges und der Verfolgung. Sein Vater (Jeremy Strong) hingegen, anders als der wohlhabende, gebildete Großvater ein einfacher Handwerker, verbreitet selber Schrecken, denn er neigt in seiner pädagogischen Hilflosigkeit zu cholerischen Anfällen und schreckt auch nicht vor Prügelstrafe zurück. Pauls Mutter (Anne Hathaway) sitzt zwischen den Stühlen und will es Allen Recht machen.
Dann wird nicht nur zum Schrecken seiner liberalen Familie Ronald Reagan zum Präsidenten gewählt, sondern Pauls geliebter Großvater muss zu einer schwierigen Operation ins Krankenhaus. Nicht zuletzt schicken ihn seine Eltern auch noch auf eine Eliteschule, um ihm etwas Disziplin beizubringen und ihn von seinem neuen Freund zu trennen.
Nach einigen nicht so schönen Erfahrungen mit großen Filmproduktionen – „Die versunkene Stadt Z“ ließ ihn im Jahr 2016 komplett erschöpft zurück, drei Jahre später entzog man ihm bei „Ad Astra – Zu den Sternen“ mit Brad Bitt das Recht auf die finale Schnittfassung – ist der neue Film des Regisseurs James Gray ein etwas kleineres Projekt geworden. Die autobiografisch angelehnte Geschichte aus der Sicht des jungen Paul inmitten verwirrender sozialer und politischer Ereignisse ist im Grundton sehr melancholisch angelegt.
Wie ein rückwärtsgewandter Blick auf jenen Moment der verlorenen Unschuld streifen wir die Leben einer Handvoll Menschen in Queens in New York. Die Stadt ist ziemlich am Ende, doch die berühmten Bilder der vornehmlich von Schwarzen bewohnten Bronx aus jener Zeit, die wie Kriegsbilder anmuten, findet man hier nicht. Eigenheime mit Garten prägen Pauls Wohngegend, in der die Trumps, von denen auch Donald an derselben Eliteschule wie Paul war, ihren Schatten vorauswerfen. Und so scheint der Film mit seinen durchweg tollen Darstellern nicht nur von Pauls verlorener Unschuld, der den Rassismus und Klassismus in seinem Umfeld nicht versteht, sondern von der verlorenen Unschuld eines ganzen Landes erzählen zu wollen.
(Christian Meyer-Pröpstl)
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