2024 stand in der Filmbranche einiges Kopf. Ok, ein Kalauer mit Brechstange! „Alles steht Kopf 2“ war der erfolgreichste Film, in Deutschland und weltweit. Kopf stand die Filmbranche aber auch wegen der langwierigen Verhandlungen um die Novellierung des Filmfördergesetzes (FFG), auf dem viel Hoffnung ruhte. Erst zog sich der Beschluss der Novellierung hin, dann hagelte es gleichermaßen Lob und Kritik, Beratungen und Nachbesserungen, sodass der Zeitplan schon wackelte. Durch den Bruch der Ampelkoalition steht nun wieder alles auf der Kippe. Spannend war das Jahr auch wegen der regionalen Kulturpolitik. So musste die Film- und Medienstiftung NRW schon seit Jahresanfang sparen. Gleichzeitig stand der Umzug von Düsseldorf nach Köln an. Die Stadt Köln beteiligt sich mit Zuschüssen an den Miet- und Umzugskosten. Man erhofft sich durch die Ansiedlung in Köln mehr Umsatz in der Filmwirtschaft. Geld, das kaum in die kleineren Institutionen der freien Filmszene in Köln fließen wird. Vor einem irreparablen Kahlschlag der freien Kulturszene in Köln haben bereits mehrere Institutionen gewarnt. Denn für 2025 planen Land und Stadt starke Kürzungen im Kulturetat. Wie groß die Einschnitte sind, weiß man bis dato wegen des verschobenen Haushalts nicht. Das heißt: Einige Akteure der freien (Film-) Szene müssen ihre ersten Veranstaltungen in 2025 planen, ohne zu wissen, mit welchen Fördersummen sie rechnen können.
Die Filmvermittlung über Initiativen, Festivals, Reihen und andere Sondervorführungen steht vor großen finanziellen Herausforderungen. Dabei ist sie wichtiger denn je in einer Welt, die mit audiovisuellen Inhalten nur so zugeballert wird. Das wusste der Kritiker Béla Balász schon vor vielen Jahrzehnten, als er mahnte, dass man die wichtigste Revolution der menschlichen Bildung ignoriert, wenn man Film nicht an der Schule lehrt. Das Zitat steht am Anfang von „Filmstunde_23“, dem neuen Dokumentarfilm von Edgar Reitz („Heimat“), der im Januar in den Kinos startet. Dass Film und Kino wichtig sind, betonte auch das Symposium „Eskalation. Diskussionskultur im Medienwandel“ des Filmbüro NW – ebenfalls vor einer finanziell ungewissen Zukunft – im Dezember. Dort wurde der Begriff des Filmkritikers Roger Ebert vom Kino als Empathie-Maschine aufgegriffen, weil es uns niedrigschwellig und allumfassend ermöglicht, uns in andere Menschen hineinzuversetzen. Und zwar intensiver und nachhaltiger als die neuen Medien der Plattform-Ära mit Gefühlsmomenten in Sekundenlänge. Dass Stress und Zeitdruck die Empathie verringern, ist erwiesen. Im dunklen Kinosaal liefert man sich jedoch für knapp zwei Stunden komplett aus und stellt sich selber hintenan. Bei „Eskalation“ wurde auch daran erinnert, dass Empathie wie ein Muskel funktioniert, den man trainieren muss. Dann wäre das Kino das ideale Fitnessstudio, das hilft, die Empathielücken der Dominanzgesellschaft gegenüber marginalisierten Menschen zu schließen. Auch das wird in 2025 wichtiger sein denn je. Hoffen wir also auf viele emphatische Kinomomente im neuen Jahr – und dass sie die richtigen Menschen erreichen!
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