Montag, 14. Januar: Kölner Premiere des eindringlichen Biopics über den kubanischen Balletttänzer Carlos Acosta. Der große Andrang vor dem Kino und die ausverkauften Sitzplätze könnten eine Folge dessen sein, dass der neue Film „Yuli“ von Icíar Bollaín, die 2016 bereits „El Olivo – Der Olivenbaum“ im OFF Broadway vorgestellt hatte, mehrere Interessengruppen gleichzeitig anzieht, von Liebhabern des Arthouse-Films, Lateinamerika-Fans bis hin zu Tanzbegeisterten.
Christian Meyer-Pröpstl läutete als Projektleiter der Filmsociety des Kunstsalons den Abend mit einer kurzen Ansprache ein. Glücklicherweise noch pünktlich eingetroffen betrat später auch die spanische Regisseurin Icíar Bollain (*1967) mit einem breiten, offenen Lächeln die Bühne. Selbst nachdem sie sich kurz im zuziehenden Kinovorhang verfangen hat und das Publikum in Gelächter ausbrach, strahlt sie unbeirrt weiter. Ausführlich beantwortet sie in englischer Sprache die Fragen Silvia Werners von der Tanzsociety des Kunstsalons.
Auf die Lebensgeschichte des kubanischen Balletttänzers wurde Bollain durch ihren Lebenspartner, den Drehbuchautoren Paul Laverty aufmerksam. Die aufrührende Lebensgeschichte des Ballettstars, die auch noch parallel zur tragischen Wirtschaftsgeschichte Kubas verlief, habe sich ihr von Beginn an Stoff dargestellt, der verfilmt werden musste, erzählt Bollain.
Die Arbeit mit Carlos Acosta habe sich teilweise jedoch auch als schwierig erwiesen: Aufgrund seiner Verantwortungen unter anderem als Gründer der International Dance Foundation und Vater von zwei Töchtern habe Carlos der Filmcrew nur selten zur Verfügung gestanden. Auf Antworten musste Bollain teilweise mehrere Monate warten, und wenn Acosta einmal anwesend war, so auch nur für einzelne Stunden. „Er war vor Ort, um die Szenen zu drehen, mehr nicht. Er sah keine einzige Szene bevor der Film fertig war.“ Somit blieb auch für die Besprechung der Tanzchoreografien kaum Zeit, die allesamt nicht von Acosta selbst, sondern hauptsächlich von einer katalanischen Choreografin entwickelt worden waren. Folglich musste die Arbeit auf einem besonderen Vertrauensverhältnis basieren – und das tat sie.
„Carlos hat uns voll und ganz vertraut. Er sagte einmal zu mir: ‚Meine Fähigkeit ist zu tanzen, deine ist es zu filmen – there you go!‘“, erklärte Icíar Bollain lachend. Trotz der Schwierigkeiten, habe sie somit die Arbeit mit dem bodenständigen Tänzer sehr genießen können.
Die Dreharbeiten einzelner Szenen seien extrem emotional gewesen, sagte Bollain, so zum Beispiel die zur eindringlichen Schlagszene zwischen dem impulsiven Vater und dem jungen Carlos. Carlos Acosta sei teilweise in den Arbeiten zu diesen sehr realistisch wiedergegebenen Szenen von seinen Erinnerungen übermannt worden. „In diesen Momenten war Carlos plötzlich abwesend. Er war in völliger Katharsis.“
Jedoch nicht alle Szenen im Film haben sich auch im wahren Leben so zugetragen. Elemente wie die Szenen im leerstehenden Gebäude der kubanischen Tanzakademie seien integriert worden, um der fundamentalen Rolle, die dieses Gebäude als Heimat der International Dance Foundation im heutigen Leben Acostas spielt, gerecht zu werden. „Das Faszinierende ist diese Mischung aus Fiktion und Wahrheit“, erzählte Bollain begeistert. Besonders das Zusammenspiel von Tanz und Fiktion hätten die Arbeit zu einem einzigartigen Prozess gemacht.
Im anschließenden Zuschauergespräch äußerten mehrere Zuschauer ihre Begeisterung über die gelungene Integration von Tanz und Film, die die Regisseurin verwies auf ihre intensive Zusammenarbeit mit Tanzchoreografen zurückführte. Sie habe sichergehen müssen, dass die Vorschläge der Choreografen nicht zu abstrakt waren und die Geschichte angemessen kommunizieren konnten. „Wir mussten ständig eine Balance, ein Äquilibrium zwischen Tanz und Fiktion finden, wir durften die Story nicht verlieren.“
Auch für das Kamerateam bedeuteten die Tanzszenen eine Herausforderung: „Der Kameramann musste mit den Tänzern tanzen“, so Bollain, dafür habe er alle Choreografien auswendig lernen müssen.
Am Ende der Premierenveranstaltung verriet sie noch die interessante Geschichte des Schauspielers des jungen Carlos: Der sprudelige Charakter sei ein wahrer Glücksfund für das Filmteam gewesen. Nachdem Edison Manuel Olvera zufällig auf das Schauspielcasting in seiner kubanischen Nachbarschaft aufmerksam wurde, kam er allein – seine Eltern hielten das Casting für reine Zeitverschwendung. Mit diesem zur Geschichte passenden Hintergrund habe er sofort das Interesse der Regisseurin geweckt – und stellte sich danach auch noch als außergewöhnlich talentierter Nachwuchsschauspieler heraus.
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