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Das Adinkra-Symbol mahnt, aus dem Vergangenen zu lernen
Foto: Julien / Adobe Stock

Glücklich erinnert

28. November 2024

Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben

In meiner Familie wurde früher oft erzählt, wie ich als 4-Jährige am Hof des Asantehene, dem König der Asante, getanzt habe. Im Kleinkindalter hatte ich den Adowa-Tanz von meiner Oma in Ghana gelernt. Sie war sehr stolz, wenn ihre kleine „weiße“ Enkelin dort tanzte. Ich sehe mich heute noch, wie ich, in Kente gekleidet, die anmutigen Handbewegungen und komplexen Schritte mache und das Publikum mein kleines Ich bewundert. Moment mal. Sehe ich mich wirklich? Ganz ehrlich: ich habe keinerlei wirkliche Erinnerung an diese Geschichte. Ich erinnere vielmehr die Erzählung darüber, eine übertragene Erinnerung. Die Erinnerung meiner Oma. 

Unechtes Glück

Es gibt Erwachsene, die erzählen von Erinnerungen aus ihrem frühkindlichen Leben. Sie können von Kindergarten-Ereignissen berichten, von Dingen, die passiert sind, als sie noch krabbelten. Wie Forschende erklären, handelt es sich bei sehr frühen Erinnerungen eher um Illusionen, derer sich die Personen nicht bewusst sind. Die Erinnerungen an frühste Begebenheiten sind demnach Konstrukte, aus Erzählungen zusammenerinnert. Denn erst im Alter von ca. sechs Jahren beginnt der Mensch Erinnerungen zu bilden. Auch wenn echte Erinnerung später einsetzt, sind frühe (auch unechte) glückliche Erinnerungen wichtig für unser psychologisches und emotionales Wohlbefinden. Je mehr schöne Erinnerungen wir sammeln, desto besser. Sie tragen zu einem positiven Selbstbild bei und stärken unser Identitätsgefühl. Sie können die Symptome von Angst und Depression verringern. Uns an glückliche Momente zu erinnern kann uns dazu inspirieren, Ziele zu verfolgen und Dinge zu tun, die uns Freude bereiten und eine optimistischere Lebenseinstellung fördern. Wer eine optimistische Lebenseinstellung hat, tendiert eher nicht dazu, Populisten zu wählen – davon bin ich überzeugt. Denn die AfD findet ihre Anhänger eher bei den Unzufriedenen und Missgünstigen.

Eine Frage der Einstellung

Aber zurück zu den Asante. Von ihnen stammt auch die inzwischen oft zitierte Sankofa-Idee, die mit dem Adinkra-Symbol eines Vogels dargestellt wird, der nach vorne schreitet und dabei nach hinten blickt. Sankofa bedeutet, geh zurück und hole es, und ermahnt uns, die Vergangenheit nie zu vergessen. Denn nur mit der Erinnerung lässt sich Gegenwart verstehen und eine bessere Zukunft gestalten. Wir können gegenwärtige Weltordnungen und Ungleichheiten nur verstehen, wenn wir die Vergangenheit erinnern. So wurden ungleiche Handelsbedingungen zwischen westlichen Staaten und Afrika bereits zu Zeiten des transatlantischen Dreieckhandels etabliert und in der Kolonialzeit weiter ausgebaut. Sie wirken bis heute nach.

Erinnerungskultur

Auch der wachsende Populismus wird dadurch genährt, dass viele Menschen die Vergangenheit scheinbar vergessen haben. Wie lange müssen wir uns an unrühmliche Zeiten erinnern? Ewig. Ganz im Sinne Sankofas, sagte Bundespräsident Steinmeier neulich auf Kreta: „Wir können das Leid nicht ungeschehen machen. (...) Aber wir müssen die Erinnerung daran wachhalten, damit nicht wieder geschieht, was einmal geschehen ist.“ Wenn es uns wichtig ist, dass Geschichte sich nicht wiederholt und wir ein globales Gleichgewicht herstellen wollen, dann müssen wir eine gemeinsame Erinnerungskultur entwickeln. Und die schönen eigenen Erinnerungen pflegen. Welche Adowa-Schritte habe ich dem König vorgetanzt? Ähm … Oma wüsste es noch. Und ich? Ich habe weder Ahnung, in welcher Reihenfolge die Bewegungen zu machen sind, noch was sie bedeuten. Aber ich erinnere mich, dass es immer schön war bei Oma. Und das ist das Wichtige. Positive Erinnerungen, die uns den Weg durchs Leben erleichtern.

Tina Adomako

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