Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

Das Transparent zur Ausstellung im letzen Jahr zeigt auch Maria Runkel (2.v.l.)
Foto: Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.

Zivilcourage altert nicht

28. November 2024

Teil 3: Lokale Initiativen – Der Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal

„Wenn wir mehr Maria Runkels gehabt hätten, dann wäre 1933 vielleicht anders ausgegangen.“ So erwägt es der Politik- und Sozialwissenschaftler Dieter Nelles, Mitgründer des Vereins zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal. Maria Runkel führte das Arbeiterlokal Zum Reichsbanner in der Blumenstraße in Elberfelds Südstadt und kämpfte als Sozialistin gegen den Faschismus. Ihr Lokal wurde mehrfach von SA und SS überfallen und schließlich geschlossen, nachdem sie sich weigerte, die Hakenkreuzflagge zu hissen. Heute ist Maria Runkel, wie die meisten lokalen Widerstandskämpfer in Deutschland, weitgehend vergessen. Anders als beispielsweise die Résistance in Frankreich sei der deutsche Widerstand nie wirklich anerkannt worden, so Nelles, der dafür eintritt, „den Opfern und Widerstandskämpfer:innen historische Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und ihnen einen Platz im kulturellen Gedächtnis zu geben“.

Vor 30 Jahren

Der Verein ist vor rund 30 Jahren aus der Veranstaltung „60 Jahre Machtübergabe an Hitler“ am Opernhaus Wuppertal entstanden, die Nelles zusammen mit den Grünen organisiert hatte. Damals habe es kaum qualitative Studien zum Wuppertaler Widerstand gegeben. Dem Verein gehe es darum, „den Opfern eine Stimme zu geben“, erklärt Nelles, „eine große Rolle spielen die Frauen und Männer, die aktiv gegen die Nazis gekämpft haben.“ Dazu veröffentlicht der Verein eigene Recherchen und Erinnerungen von Widerstandskämpfern und organisiert Gedenkveranstaltungen, Vorträge und Ausstellungen.

Der Fokus liegt auf der lokalen Geschichte und dem Widerstand im Wuppertal, etwa im letzten Jahr bei der Ausstellung „1933 – Niemals vergessen!“, die an sechs Schulen und in der Universitätsbibliothek der Bergischen Universität gezeigt wurde. Im aktuellen Projekt „Orte der Demokratie“ führt die Recherche bis in die einzelnen Stadtteile hinein, um herauszufinden, in welchen Bereichen es bei der Volksabstimmung 1934 besonders viele Gegenstimmen gab. Das Ergebnis der Abstimmung war die Zusammenlegung der Ämter des Reichskanzlers und des Reichspräsidenten in der Person Adolf Hitlers.

Wille zur Demokratie

Gegenstimmen kamen in Wuppertal vor allem aus der Arbeiterbewegung und aus katholisch geprägten Stadteilen. Was lässt sich aus der Geschichte lernen? Dieter Nelles ist zwiegespalten. Zum einen zeige der Aufstieg der AfD bis in die Mitte der Gesellschaft, dass viele Menschen offenbar nichts gelernt haben. Zum anderen machen ihm die Standhaftigkeit der Institutionen in Deutschland und der Wille vieler Menschen, für die Demokratie zu kämpfen, immer noch Hoffnung. Der Blick auf die Widerstandskämpfer von damals könne auch heute helfen: „Durch unsere Publikationen und Veranstaltungen hoffe ich, dass sich einige Leute das zu Herzen nehmen und die Brücke zu Heute schlagen.“

Ein Grund, nostalgisch zu werden, sei dies nicht: „Der deutsche Widerstand ist leider eine Geschichte der ‚Verlierer‘, da Nazi-Deutschland nicht vom Widerstand, sondern von den Alliierten befreit wurde“, betont Nelles. Eine direkte Linie von der Vergangenheit in die Gegenwart lasse sich nicht ziehen. Dennoch komme mit den Widerstandskämpfern von damals exemplarisch zum Ausdruck, was Zivilcourage bedeutet: „Menschen wie Maria Runkel können einen Vorbildcharakter haben. Eine Frau, die das Herz am richtigen Fleck hatte, politisch klug und mutig war.“

Lutz Werner

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Weihnachtswarnung
Intro – Erinnerte Zukunft

Aus Alt mach Neu
Teil 1: Leitartikel – (Pop-)Kultur als Spiel mit Vergangenheit und Gegenwart

„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 1: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie

Spenden ohne Umweg
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Netzwerk 2. Hand Köln organisiert Sachspenden vor Ort

Nostalgie ist kein Zukunftskonzept
Teil 2: Leitartikel – Die Politik Ludwig Erhards taugt nicht, um gegenwärtige Krisen zu bewältigen

„Nostalgie verschafft uns eine Atempause“
Teil 2: Interview – Medienpsychologe Tim Wulf über Nostalgie und Politik

Lebendige Denkmäler
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Route Industriekultur als Brücke zwischen Gestern und Heute

Glücklich erinnert
Teil 3: Leitartikel – Wir brauchen Erinnerungen, um gut zu leben und gut zusammenzuleben

„Erinnerung ist anfällig für Verzerrungen“
Teil 3: Interview – Psychologe Lars Schwabe über unseren Blick auf Vergangenheit und Gegenwart

Unglaublich, aber essbar
Todmorden und die Idee der „essbaren Stadt“ – Europa-Vorbild England

Schlechte Zeiten: Gute Zeiten
Die Macht der Nostalgie – Glosse

Lokale Initiativen

Hier erscheint die Aufforderung!