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Protest braucht auch den Blick zurück
Foto: Jesse B/peopleimages.com / Adobe Stock

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19. Dezember 2024

Warum Nostalgie auch in die Zukunft weist – Spezial 12/24

Nostalgie ist ein schwieriges Thema. Oft besagt sie, das früher alles besser gewesen sei. Das hören wir doch oft von unseren Eltern und Großeltern – und denken es manchmal selber. Das kann das heißen, das es angeblich weniger Kriminalität gab. Oder dass die Umwelt intakter war. Manche würden behaupten, dass es weniger Armut gab und die Menschen besser leben konnten. Doch stimmt das überhaupt?

Langsame Vergangenheit

Wir sind heute beeinflusst von den sozialen Medien, Nachrichten und Infos erreichen uns in Echtzeit. Das kann ein Zerrbild erzeugen, muss es aber nicht. Denn das ist auf der einen Seite eine sehr gute Voraussetzung dafür, sich eine aufgeklärte Meinung bilden können. Der negative Effekt ist aber, dass wir das gegenüber den langsameren Informationsflüssen der vergangenen Jahrzehnte kaum in Relation setzen können.

Gesamtgesellschaftlich sinkt die messbare schwere Kriminalität, aber wer weiß das und kann das fühlen, wenn wir an furchtbare Attentate wie in Solingen denken? War die Umwelt wirklich intakter? Denken wir doch an Tschernobyl oder die großen Giftmüllskandale. Menschen in Armut gab es auch in diesem Land immer. In allen Themenfeldern mag es Verschärfungen geben, sodass manche mit einem nostalgischen Blich zurück fragen: War es denn früher nicht doch besser? – Aber genau das glaube ich eben nicht!

Familienfreundlich

Vielleicht waren die fortschrittlich denkenden Menschen früher besser wahrnehmbar, denken wir an die großen Demonstrationen in Brokdorf, Wackersdorf und später Gorleben, wo Menschen in Bewegungen sich widersetzt haben und einiges erreichen konnten. Der geplante „schnelle Brüter“ in Kalkar ist heute ein Feriendomizil. Eine familienfreundliche Form des Fortschritts, der nur durch soziales Engagement erreicht werden konnte. Aber umkämpft waren diese Themen immer.

Und auch der Atomausstieg wurde erreicht, wir dürfen sagen, politisch erkämpft. Es gilt natürlich dran zu bleiben, damit das auch so kommt. Und da kommt die heutige Realität ins Spiel. Denn Nostalgie vermag nicht, die heutigen sozialen Auseinandersetzungen zu lösen, das liegt in der Natur der Sache. Aber mit dem nostalgischen Blick auf das Gestern, Schlüsse für das Heute zu ziehen, könnte doch sehr hilfreich sein.

Zahmer Protest

Heute kämpfen zum Beispiel Fridays for Future für Klimaschutz. Das könnte als Fortsetzung verstanden werden, eine Fortsetzung von dem, was in Gorleben an Widerstand gegen ein Atommüllendlager über viele Jahre geleistet wurde. Ja, der heutige Protest ist zahmer, aber er ist da. Braucht es einen nostalgischen Blick auf die damaligen Protestformen? Kommen sie wieder? Vielleicht gibt es auch andere Formen von Aushandlungsprozessen in Sinne der Klimagerechtigkeit. Genau wie auch heute Menschen Attentate von einzelnen islamistischen Tätern und Gruppen zu Recht aufs Schärfste verurteilen, sich aber gleichzeitig dagegen wehren, ganze Bevölkerungsgruppen zu stigmatisieren. Erinnert ihr euch an die Demonstration #unteilbar? Eine Viertelmillion stand auf gegen Rassismus. Das ist noch nicht gar nicht so lange her.

Eine Umzingelung des Bundestages wie bei der Asylrechtsänderung in den neunziger Jahren gibt es aber trotz sich verschärfender Gesetze nicht. Und die Armut steigt, das ist evident, aber sie war immer da.

Was schließen wir aus all dem? Die sozialen Erfahrungen von gestern mit zu denken und Schlüsse daraus für unser heutige Handeln zu ziehen, könnte eine passende Annäherung sein. Denn es geht doch darum, das Leben für alle Menschen besser zu machen und dann hätte unsere Nostalgie ihren Zweck erfüllt.

Henning von Stoltzenberg

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