Das Grundgesetz wird 75 Jahre alt: Am 23. Mai 1949 wurde es in einer festlichen Sitzung des Parlamentarischen Rats in Anwesenheit von Repräsentanten der Militärregierungen und der Ministerpräsidenten verkündet, am folgenden Tag trat es in Kraft. Konrad Adenauer kommentierte die Unterzeichnung folgendermaßen: „Heute (…) beginnt ein neuer Abschnitt in der wechselvollen Geschichte unseres Volkes: Heute wird nach der Unterzeichnung und Verkündung des Grundgesetzes die Bundesrepublik Deutschland in die Geschichte eintreten.“ Bonn wurde zur Bundeshauptstadt bestimmt und der Wahlkampf begann. Adenauers CDU konnte die erste Wahl – auch dank Ludwig Erhards Werben für die Soziale Marktwirtschaft – mit zwei Prozentpunkten vor der SPD für sich entscheiden.
Viel ist seit dieser Zeit geschehen: Die Wiedervereinigung hat die politische Landschaft verändert, neue Parteien sind hinzugekommen, neue Krisen beschäftigen das Parlament. Vor allem aber scheint die Demokratie in Deutschland und vielen Ländern Europas gefährdet zu sein. Entgegen diesem Eindruck vertreten Friedrich Kießling und Christoph Safferling in ihrem Buch „Der Streitfall“ – das nun in der Stadtbibliothek Köln Premiere feiert – die These, dass sich die Demokratie gerade in Deutschland als außerordentlich stabil erwiesen habe. Herausforderungen wie die Finanzkrise, die Flüchtlingskrise und die Pandemie hätten eben nicht nur eine Spaltung der Gesellschaft, sondern auch deren Zusammenhalt gezeigt. Dennoch bildet insbesondere der Rechtsdruck eine reale Gefahr für das System. „Die Demokratie kam nicht erst 1949 nach Deutschland“, erklärt der Professor für Straf- und Völkerrecht Safferling. „Sie wurde auch nicht von den Amerikanern oktroyiert. Die Wurzeln sind viel tiefer. Die heutige Demokratie unter dem Grundgesetz ist auch nicht mehr die von 1949. Sie ist – unter teilweise heftigem Streit – seitdem vielfach umgestaltet, ausgebaut, reformiert worden. Angesichts dieser historischen Streitkultur dürfen wir uns nicht von politischen Auseinandersetzungen abschrecken lassen. Wir müssen uns vor allem unserer Grundwerte bewusst sein, diese weiterentwickeln und darauf unsere Entscheidungsprozesse beziehen.“
Die Frage, wie eine Demokratie den Staat schützen kann, ohne die eigenen Werte zu verraten, prägte auch eine gemeinsame Publikation von Safferling und Kießling, „Staatsschutz im Kalten Krieg“. Kießling forscht und lehrt als Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Bonn. Moderiert wird der Abend von Luisa Thomé, die als stellvertretende Leiterin des Ressorts X bei Zeit Online tätig ist.
Der Streitfall | Do 26.3. 19 Uhr | Stadtbibliothek Köln | www.stadt-koeln.de/leben-in-koeln/stadtbibliothek/
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