Vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden fiel ein Mann in einen Brunnen. Es war Thales von Milet, der anhand von Naturbetrachtungen über den Ursprung des Universums nachdachte und als der erste Philosoph gilt. Als er beim Beobachten des Himmels in besagten Brunnen stürzte, verspottete ihn eine Magd: „Da er die Dinge am Himmel sehen will, übersieht er, was vor seinen Füßen ist.“
Ob wahr oder fingiert – das Etikett der Realitätsferne ist den sogenannten Weisheitsliebenden geblieben. Das Tun in der akademischen Welt bleibe verborgen, und wer doch hier heraustritt, spreche für die Öffentlichkeit in sehr komplizierten Fachtermini, hält der Gründer des Philosophischen Cafés Markus Melchers fest. Was es braucht, nämlich eine Portion Bewegung und Gespräche auf Augenhöhe, ahnte der gebürtige Koblenzer schon vor seinem Studium der Philosophie, Religionswissenschaft und Geschichte in Bonn. Noch während der Schulzeit erhielt er Einblick in die erste sogenannte philosophische Praxis, die 1981 von Gerd Achenbach in Bergisch Gladbach gegründet wurde.
Als Ein-Mann-Praxis mit dem Namen „Sinn auf Rädern“ machte sich Melchers 1998 selbständig. Ohne therapeutischen Anspruch, aber im Wissen um den Erfolg klärender Denkübungen bespricht er individuelle Lebensfragen an dem gewünschten Ort seines „Gastgebers“. Neben seiner publizistischen Tätigkeit und immer neuen fachübergreifenden Kollaborationen stellt das Philosophische Café eine Konstante unter den verschiedenen Begegnungsformaten dar. In Bonn war seit 1998 die Pauke der Ort des Geschehens, seit 2022 versammelt man sich jeden Monat im Café Camus in der Altstadt. Für zwei Stunden kreisen die Gedanken der recht heterogenen Gruppe – darunter Student:innen, Lehrer:innen, Leute aus Verwaltung oder Medizin, mit und oft ohne philosophische Vorbildung – um einen bestimmten Themenkomplex. „Wer ist ein Realist?“, „Was ist Geld?“, „Wie kommt das Böse in die Welt?“, „Wer sagt mir, wer ich bin?“, lauten die Titel. Es ist ein Denk- und Gesprächsraum fern von Vortragskultur oder sonstigem akademischen Abhängigkeitsverhältnis. „Es kommt nicht darauf an, so zu denken wie der Meister“, fasst Melchers zusammen. „Nicht ich als Moderator stehe im Mittelpunkt, sondern die Menschen, die gespannt und neugierig sind, Gedanken auszuprobieren und sich mit anderen auszutauschen.“ Das bewährte Format: Eröffnet durch drei Zitate zum Titelthema – zwei seriösen und einem unseriösen aus Werbung oder Film – tut sich der offene Austausch zwischen den 30 bis 50 Anwesenden auf, reguliert durch den gut vorbereiteten Praktiker. „Dabei wird immer viel gelacht“, erzählt Melchers. Denn Humor sei der Ernsthaftigkeit von philosophischen Diskussionen keinesfalls abträglich.
Zum 25-jährigen Jubiläum dreht sich das Philosophische Café am 19. Juli um die Frage: „Was heißt solidarisch sein?“ Vielleicht geht es um Gemeinwohl, vielleicht um Egoismus, vielleicht auch um etwas ganz anderes, denn, so Melchers: In diesem bewegten Raum der gesprochenen Rede und Gegenrede, die immer unmittelbar ist, in der man sein Gesicht zeigt, und auch den gedanklichen Rückzug oder ein noch nie ausgesprochenes Wagnis offenlegt, gelte: „Keiner weiß, was passiert.“
Philosophisches Café mit Markus Melchers. Was heißt solidarisch sein? | 19.7. 19-21 Uhr | Café Camus Bonn | www.cafecamus.de
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