Ein klassisches Beispiel für eine geldlose Tauschwirtschaft stellen Tauschringe dar, die bereits im 19. Jahrhundert erprobt wurden und auch heute fast überall in Deutschland zu finden sind. Der Tauschring Köln etwa besteht seit zehn Jahren und ist mit 250 Mitgliedern einer der größten Tauschringe der Region. Die Mitglieder tauschen untereinander vor allem Dienstleistungen – jeder bietet seine individuellen Fähigkeiten an, egal ob er sich diese im Beruf oder Studium angeeignet oder autodidaktisch gelernt hat. Besonders nachgefragt sind dabei Handwerksarbeiten, Unterstützung bei Computerproblemen oder auch Reinigungsarbeiten. Abgerechnet werden diese Tauschgeschäfte mit den sogenannten „Talentstunden“, die einer Zeitstunde entsprechen.
Andere Tauschringe arbeiten mit geringfügig anderen Modellen, das Prinzip ist jedoch immer ähnlich: Die Mitglieder setzen ihre Lebenszeit als Kapital ein, um untereinander Leistungen zu tauschen. Die Tauschgeschäfte werden hauptsächlich über eine Online-Plattform organisiert, es gibt jedoch auch monatliche Treffen mit jeweils um die 20 bis 30 Teilnehmern.
In einem wichtigen Merkmal ähneln die Tauschringe dem Geldsystem: „Der Rubel muss rollen“, so eines der Mitglieder, „das heißt, dass die aufgewendete Zeit möglichst im Umlauf bleiben soll.“ Ein Bunkern von Talentstunden ist unerwünscht, was durch verschiedene Gegenmaßnahmen verhindert wird, etwa, indem die gesammelten Stunden am Ende eines Jahres verfallen. Ein langfristiges Ansparen von Zeit ist so nicht möglich.
Genau das ist jedoch der Zweck einer Zeitbank, wie bei der Zeitvorsorge Köln, die im April dieses Jahres als Verein gegründet wurde. Der Vorsitzende Karl-Heinz Kock erklärt den Unterschied zu Tauschringen: „Zum einen beschränken wir uns auf soziale Leistungen, einfache Hilfestellungen für Bedürftige. Zum anderen kann die dafür aufgewendete Zeit über einen langen Zeitraum angesammelt werden, bis man selbst einmal der Hilfe anderer bedarf.“ Jedes Mitglied besitzt ein Tauschkonto und ein langfristiges Rentenkonto – zwischen diesen kann die Zeit verschoben und auch auf Konten anderer Personen überwiesen werden. „Zeitvorsorge institutionalisiert praktisch die Nachbarschaftshilfe, die es schon immer gegeben hat“, so Kock, „Es ist ein System, das auf Kooperation statt auf Konkurrenz beruht.“ Laut Kock könnte die Zeitbank eine ernstzunehmende Ergänzung der Altersvorsorge darstellen, außerdem stelle diese einen Anreiz dar, sich ehrenamtlich zu engagieren – auch für Menschen, die dies nicht aus reiner Nächstenliebe tun würden.
Zurzeit ist der Verein vor allem darum bemüht, öffentliche Aufmerksamkeit für seine Idee zu bekommen. So nimmt der Verein etwa Kontakt zu Hilfsorganisationen auf, die vielfach auf ehrenamtliche Arbeit setzen und versucht, sie in sein System mit einzubinden – bisher seien diese jedoch noch sehr zögerlich, so Kock. Trotz der Anfangsschwierigkeiten ist es letztlich sein Ziel, die Zeitvorsorge zu einer bundesweiten Institution zu machen. Ein ehrgeiziges Vorhaben, jedoch nicht utopisch – so kann Kock etwa auf das japanische Fureai-Kippu-System verweisen, dass seit 1995 in ganz Japan zur Anwendung kommt.
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