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Dr. Insa Wilke befragte Margitta Neuwald-Golling und Elke Monssen-Engberding
Foto: Frank Brenner

Gräueltaten auf Zelluloid

26. Januar 2012

„Salò oder Die 120 Tage von Sodom“ in der Filmpalette – Foyer 02/12

Sonntag, 15. Januar: Gemeinsam mit dem Literaturhaus Köln, in deren Reihe „Erotica“, präsentierte die Filmpalette mit „Die 120 Tage von Sodom“ Pier Paolo Pasolinis letzten und fraglos umstrittensten Film. Der italienische Skandalregisseur wollte in seinem Film die verrohende Wirkung des Faschismus deutlich machen und erzählt in „Salò“ von einer Gruppe skrupelloser Machtmenschen, die in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs in einer Villa junge Mädchen und Knaben nach Lust und Laune quälen und sexuell missbrauchen. Schon kurz nach der deutschen Erstaufführung des Films wurde er hierzulande komplett verboten, da man die Mischung aus Pornografie und Gewalt strafrechtlich bedenklich einstufte. Bei der Vorführung in der Filmpalette erläuterten Elke Monssen-Engberding und Margitta Neuwald-Golling von der Bundesprüfstelle, inwieweit sich diese Einstufung im Laufe der Jahre gewandelt hat. 1978 wurde das Komplettverbot des Films aufgrund seines künstlerischen Anspruchs aufgehoben. Dieser ist bis heute unstrittig, aber 1987 und 2004 wurde „Die 120 Tage von Sodom“ der Prüfkommission erneut vorgelegt.

In beiden Fällen wurde am Entscheid, den Film für Jugendliche zu verbieten, nichts geändert. Nach wie vor sieht man in den Quälereien der jugendlichen Laiendarsteller auch eine verrohende Wirkung für Kinder und Jugendliche, die Ängste hervorrufen oder dermaßen verstörend wirken könnten, dass sogar ein Nachahmungswert daraus erwächst. Auch sieht die Bundesprüfstelle bei heutigen Jugendlichen nicht mehr die Assoziationsfähigkeit, den mehr als 60 Jahre zurückliegenden Faschismus in den richtigen Bezug zu den im Film gezeigten Gräueltaten zu bringen. Nach der Projektion des Films wurde die angeregte Diskussion mit den Zuschauern von Dr. Insa Wilke vom „Literaturhaus“ fortgesetzt. Dabei wurden durchaus konträre Wahrnehmungsformen ersichtlich. Für die einen war die Sichtung des Films schlichtweg fürchterlich, andere konstatierten, dass das Werk durch den Lauf der Zeit mittlerweile zahnlos, wenn nicht gar harmlos wirke. Die mediale Prägung der zurückliegenden drei Jahrzehnte seit Entstehung des Films hat ohne Frage ihre Spuren hinterlassen. In Zeiten des Internets, das uns reale Schrecken aus aller Welt vielfach ungefiltert auf den heimischen Monitor holen kann, sind auch solche Reaktionen auf einen Skandalfilm, der sich mit einem der letzten gesellschaftlichen Tabus, dem Sadismus, auseinandersetzt, nur allzu verständlich.

Frank Brenner

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