Donnerstag, 9. April: Griechenland ist derzeit eines der kontroversesten Gesprächsthemen, die Verschuldung des Landes und der mögliche Ausstieg aus dem Euro in aller Munde. Da kommt der zweite Langfilm des griechischen Regisseurs Syllas Tzoumerkas („Hora proelefsis“) gerade richtig, zumal sich der junge Filmemacher darin dezidiert mit diesen Fragen auseinandersetzt. Umso überraschender ist, dass „A Blast – Ausbruch“ in erster Linie mit griechischen und deutschen Geldern finanziert wurde, und somit auf einem viel kleineren Level mehr Einigkeit demonstriert wurde als auf der Bühne der Hochpolitik. Zur Kölner Premiere des Films, eine Woche vor dem bundesweiten Kinostart, waren der Regisseur und seine beeindruckende Hauptdarstellerin Angeliki Papoulia persönlich nach Deutschland gereist, um den beim Filmfestival von Locarno uraufgeführten Film im OFF-Broadway zu präsentieren und dabei den Fragen des Publikums Rede und Antwort zu stehen. Ebenfalls anwesend war Titus Kreyenberg, der mit seiner in Köln und Berlin ansässigen unafilm als deutscher Koproduzent maßgeblich zur Realisierung des Films beigetragen hat.
Kreyenberg erzählte, dass er bereits 2012 zu dem Projekt hinzugestoßen sei, und dass das Drehbuch damals schon mehr oder weniger in seiner Endfassung vorlag. „Aber es war ein schwieriges Unterfangen, und der Film wurde nicht nur zu einem Abbild der Krise in Griechenland, sondern auch zu einem Symbol, wie schwierig es ist, Filme zu realisieren.“ Im Laufe der Entstehung kam es immer wieder zu herben Rückschlägen, beispielsweise durch die Schließung der griechischen Hörfunk- und Fernsehanstalt ERT im Jahr 2013, die sich eigentlich mit 200.000 Euro an der Finanzierung des Films beteiligt hätten. Auch deutsche Gelder waren nicht so ohne weiteres aufzutreiben, „die Situation war schrecklich, das Projekt ständig in der Krise und unterfinanziert“, so Kreyenberg weiter. Regisseur Syllas Tzoumerkas ergänzt: „Das ist ein Film über Mut, und alle Beteiligten hatten bei der Entstehung mit jeder Menge Unbeständigkeiten zu kämpfen, deswegen erforderte er auch von allen im Team jede Menge Mut.“ Tzoumerkas arbeitet auch als Schauspieler, und in dieser Funktion hatte er seine Hauptdarstellerin Angeliki Papoulia bereits 2010 kennengelernt, als er in einer Theatergruppe auftrat, die von Papoulia gegründet worden war.
Für Tzoumerkas war Papoulia die erste Wahl für die komplexe Hauptfigur in „A Blast – Ausbruch“, den er klar als feministischen Film verstanden wissen will. Die Hauptfiguren stellen dabei ihre ihnen zugewiesenen Rollen und Geschlechterverteilungen in Frage und auf den Kopf. Insbesondere die von Angeliki Papoulia gespielte Maria ist eine eher untypische Frauenfigur, da sie so körperbetont und selbstbestimmt agiert und ihre Ansichten vehement vertritt. Für Papoulia bestand darin eine der größten Schwierigkeiten ihrer Arbeit. „Zunächst glaubte ich, dass ich das nicht schaffe; das war eine wirklich große Herausforderung. Vor allem die Körperlichkeit war sehr strapaziös, die Boxkurse, die ich absolvieren musste, habe ich gehasst“, gestand sie dem Publikum in Köln. Ebenso schwierig für die Schauspielerin waren die verschiedenen Altersphasen ihrer Rolle, die sie im Film darzustellen hatte. „Ich bin näher dran am jetzigen Alter Marias. Ihre anfängliche Unschuld und Verliebtheit darzustellen, war schon ziemlich weit weg von mir. Aber obwohl mir das am Anfang alles ein wenig Angst gemacht hat, hat es mir am Ende dann doch Spaß gemacht, das darzustellen.“
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24
Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24
Gegen die Marginalisierung weiblicher Körper
„Notre Corps“ im Filmforum – Foyer 04/24
Rechtsextreme Terroranschläge
„Einzeltäter Teil 3: Hanau“ im Filmhaus – Foyer 02/24
„Monika musste sterben, weil sie nicht auf den Bus warten wollte“
Auf der Suche nach Gerechtigkeit beim dfi-Symposium – Foyer 01/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
„Paradigmenwechsel im Mensch-Natur-Verhältnis“
Mirjam Leuze zum LaDOC-Werkstattgespräch mit Kamerafrau Magda Kowalcyk („Cow“) – Foyer 03/24
Bären für NRW-Filme?
21. NRW-Empfang im Rahmen der 74. Berlinale – Foyer 02/24