Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Orchester im Off: Opernbühne im Staatenhaus
Foto: Paul Leclaire

Gute Besserung

26. November 2015

Kölner Opernpremiere im Staatenhaus machte noch nicht glücklich – Klassik am Rhein 12/15

Quallen quollen reichlich im Ambiente einer leerstehenden Fabriketage, eine Plage überzog die imaginäre Bühne. Es sollten wohl Gorgonen sein, Töchter eines Meeresgottes, deren eine, Medusa, Schlangen statt Haarpracht präsentierte. Aber auch Leute, kostümiert wie die Spermien in einem Kultfilm Woody Allens, trieben hier ihr Unwesen. Spidermen und -women wirbelten an Seilen und färbten in der Luft hängend Schrift und Bilder auf einen hauchzarten Gaze-Store. Später wurden Figuren aus einem großen Menschenschädel aus den Augenhöhlen heraus kanoniert, grauenhafte Außerirdische zappelten in einer auskomponierten „Spiel im Spiel“-Szene. Dies alles birgt die neue Inszenierung der Opéra comique „Benvenuto Cellini“, eine sehr selten aufgeführte Oper von Hector Berlioz, mit der die Kölner Oper und der neue GMD Francois-Xavier Roth im neuen Ausweichquartier „Staatenhaus“ die neue Saison eröffnet hat.

„La Fura sind da sehr flexibel“, so hieß es im Vorfeld aufkommender Schwierigkeiten über das katalanische, einst avantgardistische Regieteam „La Fura dels Baus“, das sich mit einer gelungenen Regieleistung zu einem Stockhausen-Wagnis in die Kölner Herzen eingebrannt hat. Die Berlioz-Inszenierung sollte eigentlich die neu eröffnete Kölner Oper am Offenbachplatz festlich einweihen. Dies hatte sich kurz vor der anberaumten Premiere als unhaltbar erwiesen, bereits gedruckte Jahresprogramme wurden wieder eingestampft, das Interim um zwei Jahre verlängert. Jüngste Entwicklungen weisen allerdings auf eine weitere Interims-Verlängerung hin, sodass die neue Bleibe auch Quartier für viele kommende Jahre werden könnte – wenn sie denn überhaupt zur Verfügung steht.

Trotzdem ein Blick auf das Staatenhaus. Raum bietet die Halle genügend, Hallensegmente sind durch Vorhänge flexibel abzugrenzen, die Raumhöhe lässt einiges zu. Die Fußwege sind weit, schon der Anmarsch vom Deutzer Bahnhof aus erfordert 15 Minuten zügigen Schrittes; das hören nicht nur die „grauen Wölfe“ nicht gern. Da ja in diesen Hallen kein Orchestergraben vorhanden ist, bildet die Position des Orchesters eine schwierige Aufgabe. Jetzt saß das Städtische Orchester relativ weit hinter der Szene wie ein Fernorchester. Es wehte zwar feiner Klang bis zur Publikumstribüne, Stimmen und Orchester mischen kann aber so niemand. Chor und Extrachor wurden vom Chordirektor eingelotst, der mit Rapper-Kappe getarnt vor der Bühne und neben einer Co-Dirigentin hockte, die den Solisten die Einsätze andiente.

Die Not zeitigt hier ein verrücktes Strickwerk, fast so verrückt wie die Inszenierung selbst, die mit tollen Bildern, origineller Akrobatik und unglaublich großen Bühnenmaschinen die Verwirrung des Betrachters zu einem großen Fragezeichen steigert. Wären jetzt die Sänger durchgängig so gut wie die Musik und so laut wie die Bilder gewesen, ich hätte es gern berichtet. Den Gipfel markierte der Tenor des Cellini – hoffentlich war er indisponiert. Dann gute Besserung.

„Benvenuto Cellini“ | Do 26.11., Sa 28.11.19 Uhr | Oper Köln, Staatenhaus | 0221 22 12 84 00

Olaf Weiden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Doppelte Identität
„Ihsane“ an der Oper Köln

Goldene Flügel der Sehnsucht
Großes biblisches Drama: „Nabucco“ an der Oper Köln – Oper in NRW 12/24

Triumph der Güte?
„La Cenerentola“ in Essen und Hagen – Oper in NRW 12/24

Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24

Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24

Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24

Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24

„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Interview 06/24

Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24

Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24

Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24

Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24

Klassik.

HINWEIS