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Debüt-Absolventen des Studiengangs Visual Arts

Gutes Team – guter Film

15. April 2016

ifs-Studenten präsentieren Abschlussarbeiten – Foyer 04/16

Donnerstag, 14. April: Die Staatsaffäre um das Erdogan-Schmähgedicht Jan Böhmermanns beschäftigte bei der Verabschiedung des Jahrgangs F der Internationalen Filmschule Köln (ifs) auch die Gäste. „‘Freiheit zur Satire ist Teil unserer Demokratie‘“, zitierte Staatssekretär Dr. Marc Jan Eumann ein Twitter-Posting von Hannelore Kraft, die auf die Zuständigkeit der Gerichte verwiesen hatte. Mit Blick auch auf die Türkei, sagte er: „Es ist ein großes Privileg, in einem System zu leben, wo der, der sich beleidigt fühlt, das Recht hat, den Rechtsweg einzuschreiten.“ Politik solle sich, so Eumann, nicht zur „Frage des Geschmacks“ äußern. Er finde es auch richtig, dass die ZDF-Redakteursvertretung, die das Gedicht für „rechtlich zulässig“ hielt, öffentlich Stellung bezogen habe. Er gratulierte „dem großartigen“ Böhmermann und der Kölner Bild- und Tonfabrik zu den jüngst gewonnenen Preisen. „Ganz persönlich hoffe ich, dass Jan Böhmermann und sein Team die Kraft haben, so eine Zeit durchzustehen.“


Dr. Marc Jan Eumann, Staatssekretär bei der Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien NRW

„Das kann man sich näher nicht vorstellen an unserer gesamten Arbeit und an Ihrer Arbeit“, fügte Petra Müller von der Film- und Medienstiftung NRW vor den Studenten an. „Wie jetzt unser Land darüber diskutiert, welche Konsequenzen das hat oder auch nicht hat, das definiert für mich den Raum, in dem Sie und wir alle arbeiten können.“ Dass man oft an Fragen des Geschmacks stoße, machte sie am Beispiel des „wirklich außergewöhnlichen“ Films „Wild“ von Nicolette Krebitz fest, über die Liebe von einer Frau zu einem Wolf. „Ich möchte dort leben, wo das möglich ist.“


Abschlussfilm „Lost in Hope“ (16 Min.), Buch & Regie: Aline Hochscheid, Bild: © ifs

Die ifs entlässt nun 45 Student/innen in die Realitäten des freien Marktes. Sie sind ausgestattet mit Arbeitsproben und dem Rüstzeug aus einem 7-semestrigen Studium mit den möglichen Schwerpunkten Drehbuch, Regie, Kreativ Produzieren, Kamera, Editing Bild & Ton sowie Visual Arts. Ihre Abschlussarbeiten konnten sie zunächst im Cinenova Vertretern der Film- und TV-Branche zeigen, um sie am Folgetag vor der Zeugnisübergabe noch einmal auf der größten Leinwand des Cinedom einem weiteren Kreis zu präsentieren. Der 2012 gestartete Visual-Arts-Studiengang hat in diesem Jahr seine ersten Absolventen hervorgebracht, die diesen als „Versuchskaninchen“, so hieß es, auch mit geprägt hätten.

Die Vorstellung, dass es sich bei den Abschlussfilmen um die ersten vorzeigbaren Werke der Absolventen handelt, ist natürlich falsch. So hat Luise Brinkmann (*1985) bereits immer wieder Kurzfilme gedreht und wagte sich als Abschlussarbeit als Einzige an ein fiktives Langfilmprojekt: die komplexe romantische Komödie „Beat Beat Heart“ um Liebe und Leben, Jung und Alt, improvisiert auf Basis eines 30-seitigen „Handbuchs“. Was lernt man dabei? „Ich habe gelernt, dass es etwas ganz anderes ist, einen Langfilm zu machen. Ich habe 10 Jahre lang Kurzfilme gemacht, und dann habe ich diesen Langfilm geschrieben, und habe da schon gemerkt, dass beim Schreiben die Geschichte so viel größer ist, dass man nicht nur einfach hier eine kleine Schraube ändern kann, sondern man muss die Dinge über einen längeren Zeitraum oder über mehrere Szenen vorbereiten oder nachbereiten.“


„Beat Beat Heart“ von Luise Brinkmann, Bild: © ifs

Das Filmteam habe aus Kommilitonen wie auch externen Kräften bestanden. Ein Problem sei dabei gewesen, dass alle im Sommer hatten drehen müssen. „Dann drehen also auch die Produktionen, die Geld haben, deswegen war’s schon schwerer, überhaupt Leute zu finden, die Zeit haben oder für umsonst arbeiten, weil wir ja auch nichts zahlen können. Deswegen sind das oft Freunde oder Leute, die mal reinschnuppern wollen, etwa aus einem jungen Jahrgang, die Semesterferien haben.“ Für den Film suche man jetzt einen Verleih und Sender und werde im Sommer Premiere feiern. „Ich hoffe, dass der unter die Leute kommt.“

Zur Rolle der Professoren sagt sie gegenüber choices: „Man konnte Hilfe haben, wenn man welche brauchte. Wir hatten regelmäßige Sitzungen, wo quasi alle Professoren saßen, um eine Buchfassung zu lesen oder den Zwischenstand der Vorproduktion zu hören. Dort hat man Tipps bekommen, aber man muss nicht alles annehmen. Enger habe ich mit Tutoren zusammengearbeitet wie dem Stoffberatungs-Tutor oder dem Regie-Tutor, der mich in den Fragen in Einzelgesprächen betreut hat.“


„Beat Beat Heart“: v.l. Aleksandar Radenković (Schauspieler), Maren Unterburger (Schnitt/Sounddesign), Mathis Hansbach (Kamera) und Luise Brinkmann (Buch & Regie)

Das Publikum konnte nur die ersten 35 Minuten sehen, da die Nachproduktion noch nicht abgeschlossen sei. Editorin Maren Unterburger (*1986) erklärte dazu, drei Monate gebraucht zu haben, um die 40 Stunden Material zu verinnerlichen, um dann den roten Faden herauszuarbeiten und über einen fast fünfstündigen Rohschnitt zu der fertigen 86-Minuten-Fassung zu gelangen.

Sonja Keßler (*1984) stellte mit dem Abschlussfilm „Grummet“ (37 Min.) ihren bereits fünften Film während des Studiums vor. Darin geht es um eine Freundschaft ungleicher Außenseiter im Deutschland des Ersten Weltkriegs. „Grummet“ hat bereits seine Festivalpremiere beim Max Ophüls Preis in Saarbrücken gefeiert und ist in Lausanne für die beste Regie nominiert. „Es hat sich über den gesamten Studienzeitraum einiges angehäuft, was dann zum Ausdruck kommen konnte“, sagt Keßler. „Was ich besonders toll fand, war dann auch die Möglichkeit, mal ein bisschen mehr zu experimentieren. Wir haben zum Beispiel sehr lückenhaft erzählt.“ In Saarbrücken habe sich eine Agentur gemeldet, die den Film weltweit bei Festivals einreichen werde.


Sonja Keßler („Grummet“) mit Drehbuch-Absolvent Felix Engstfeld („Die Pantherin“)

Christian Zipfel (*1992) schloss ebenfalls mit einem historischen Drama das Studium ab. „Der einsame Hof“ (30 Min.) ist in Schwarzweiß auf Basis von Recherchen in der eigenen Familie und in Archiven im ländlichen Westfalen des 19. Jahrhunderts angesiedelt: Bauer Hans kämpft darin um Tochter und Hof. „Der größte Lerneffekt war eigentlich das Übersetzen der literarischen Sprache in die Filmsprache.“ Er habe sehr lange daran gearbeitet und gedreht, um mit geringen Mitteln quasi „eine ganze Welt“ stimmig zu erzählen. Der Film läuft im Mai bei den Internationalen Kurzfilmtagen Oberhausen.


„Der einsame Hof“ von Christian Zipfel, Bild: © ifs

Zu sehen waren insgesamt acht fiktionale Filme und ein Prolog für eine Sitcom. Außerdem wurden am Vortag acht Drehbücher und fünf VFX-Abschlussprojekte, darunter zwei Animationsfilme, vorgestellt. Fünf der Abschlussfilmprojekte wurden von der Film- und Medienstiftung NRW gefördert.

Die Professoren nutzen die Zeugnisvergabe, um den Absolventen noch letzte Gedanken mit auf den Weg zu geben. So rief Gerd Haag (Studiengang Kreativ Produzieren) auf, in einer Zeit starker Emotionen Farbe zu bekennen und die schwierigen Themen der Zeit anzugehen. Aber: „Als junge Produzenten werdet ihr erkennen, dass die Produktionsbedingungen immer etwas mit den Rezeptionsbedingungen zu tun haben.“ Es gelte ein deutsches Publikum „wiederzugewinnen“, das „Anspruchsfilme“ auch verdiene – das sei auch eine „wichtige kulturpolitische Frage“. „Die Zeit ist reif für einen neuen Ansatz.“

„Wir haben uns entschieden, Filme zu machen“

Prof. Dr. Gundolf Freyermuth (Abteilung Medienwissenschaft) schrieb der Digitalisierung zu, dass in den Abschlussfilmen immer öfter „individuelle Autorenschaft“ realisiert sei – etwa in einem selbst erstellten Animationsfilm. „Das heißt natürlich nicht, dass es jemand alleine gemacht hat, aber auch Romane und große Gemälde wurden nicht alleine gemacht, da gab es Malergehilfen, Lektoren und so weiter.“ Zugleich löse ein vernetztes Produzieren das hierarchische Produzieren langsam ab – auch das sei eine Chance.

Oliver Meinborn (*1986), der den Film „Transit“ (45 Min.) beisteuerte, hielt die Abschiedsrede der Absolventen, bedankte sich, dass die Studenten „eigene Vorstellungen verwirklichen“ konnten, relativierte aber ein wenig den Eindruck, sie würden sich in dem „geschützten Raum“ der ifs, in dem tatsächlich „das Scheitern als Chance“ möglich gewesen sei, ganz abseits von Einschränkungen bewegt haben. „So lassen etwa die Spielregeln des geschützten Raums kein Crowdfunding oder ähnliche kreative Wege der Geldbeschaffung zu.“


„Transit“ von Oliver Meinborn, Bild: © ifs

Auch das Problem der parallelen Sommerdrehs im letzten Jahr sprach er an. Zur Berufswahl sagte er: „Wir haben uns bewusst gegen Nine-to-Five entschieden, gegen Verbeamtung und dagegen, windige Finanzprodukte zu verkaufen. Wir haben uns entschieden, Filme zu machen, und das ist mit den entsprechenden Unsicherheiten verbunden. Es gibt keine absoluten Größen, abgesehen vielleicht von der Goldenen Palme oder Ähnlichem.“ Man habe aber eine Gewissheit: „Menschen lieben es, Geschichten erzählt zu bekommen.“

Kurz darauf räumte der Kreativen-Nachwuchs den Saal 4 für die US-Komödie „How to Be Single“. Noch weiß der Saal nicht, was er von den ganzen neuen Impulsen halten soll. Eine Abschlussparty fand im Theaterhaus Köln statt.

Text/Fotos: Jan Schliecker

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