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Wann ist’s genug?
Foto: veles_studio / Adobe Stock

Im Namen der Schönheit

27. Februar 2024

Teil 2: Leitartikel – Über körperliche Wunschbilder und fragwürdige Operationen

Wann ist ein Mensch schön? Diese Frage haben die Menschen zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten immer unterschiedlich beantwortet. Zu Zeiten des Barocks waren es üppige Rundungen, in den 1960ern eher die dünne androgyne Form. Mal galt bleiche Haut als Inbegriff der Schönheit, heute zeigt man sich lieber braungebrannt. Und immer hat der Mensch ein wenig nachgeholfen – mit Puder, Lehm, Farbe, Tinkturen, Cremes. Dabei wird es aber heutzutage nicht belassen. Optimiert wird der Körper an vielen Stellen. Implantate für die Brust, eine neue Nase, wenn die alte nicht zum Wunschbild passt. Das Ganze wird auch noch als Kunst vermarket. Was bei uns Schönheits-OP heißt, heißt im Englischen nicht mehr plastic surgery, sondern body sculpting. Körper Skulptur. Wobei dies keine Erfindung des 20. oder 21. Jahrhunderts ist.

Attraktion, Religion, Tugend

Bei den Mursi in Äthiopien wurde schon viel früher die Unterlippe aufgeschnitten und langsam durch immer größere Tonteller gedehnt. Seit den Völkerschauen von Hagenbeck sind Trägerinnen von „Lippentellern“ eine Attraktion. Damals als Abart, heute touristisch. Was Hagenbecks Zeitgenossen als primitiv ansahen, wird heute leicht abgewandelt überall in der westlichen Welt praktiziert. Aufgespritzte Lippen, sogenannte Russian Lips sind schon ab 400 Euro zu haben und gehören in einigen Kreisen zum Schönheitsstandard. Im Mittelalter wurden diese Standards durch religiöse Überzeugungen beeinflusst. Tugenden wie Bescheidenheit und Demut machten eine Frau schön.

Innere Schönheit zählt heute jedoch wenig. Seit dem Aufkommen digitaler Medien und sozialer Plattformen werden Schönheitsidealeimmer stärker von Prominenten, Influencer:innen und Online-Communities vorgegeben. Wenn der gottgegebene Körper dem gerade gängigen Ideal nicht entspricht, sorgt eine OP für die gewünschte Form.In Brasilien ist das Schenken neuer Brüste oder einer neuen Nase zum 16. Geburtstag eines Mädchens nichts Ungewöhnliches. Das Land führt weltweit bei Schönheitseingriffen. Der BBL (Brazilian Butt Lift) ist global bei modebewussten Frauen ein Begriff. Bei dieser Praxis wird Fett vom Bauch abgesaugt und in den Po gespritzt. Vorbild hier: Kim Kardashian. Von dem Schönheitswahn sind nicht nur Frauen betroffen. Auch Männer lassen sich den Wunschkörper operieren. Der neueste Trend sind Muskelimplantate: Wozu sich kräftige Oberschenkel oder Waschbrettbauch mühsam antrainieren, wenn es eine Operation schneller tut?

Zu allen Zeiten gab es Ideale, denen nachgeeifert wurde. Doch noch nie spielte die Äußerlichkeit eine so große Rolle wie heute. Während die Zahl der Schönheits-Operationen zunimmt – in Deutschland gab es 2021 mehr als doppelt so viele wie noch zehn Jahre zuvor – wird gleichzeitig Diversität, Individualität, Selbstakzeptanz und Authentizität gepredigt, Body Positivity und die Anerkennung von Schönheit in all ihren Formen. Welch ein Widerspruch! Je reicher eine Gesellschaft wird, desto mehr nehmen kosmetische Eingriffe zu.

Schönheit oder Bildung?

Sich aber ohne gesundheitlichen Grund einer OP auszusetzen ist riskant. Wer die Folgen einer Nervenschädigung durch eine medizinisch indizierte OP erlebt hat, kann sich nur über Menschen wundern, die sich ohne Erkrankung, Verletzung oder Entstellung im Namen der Schönheit aufschneiden lassen. Vielleicht kommt noch die Zeit, in der alle zufrieden mit ihrem Aussehen sind und Geld statt für chirurgische Schönheitsoptimierung für wirklich wichtige Dinge ausgeben wie Naturschutz oder Bildung für alle. Oder für den Weltfrieden. Tina, träum weiter.


UNHEIMLICH SCHÖN - Aktiv im Thema

aes.ch/sportsucht | Die Arbeitsgemeinschaft Ess-Störungen (AES) klärt über Sportsucht auf.
sporthilfe.de/socialmedia/studienergebnisse | Die Deutsche Sporthilfe befragte Leistungssportler, welche Rolle soziale Medien für ihren Sport spielen.
sportschau.de/mehr-sport/bodybuilding-social-media-100.html | Kritisches Video über den Einfluss von Bodybuilding-Influencern auf junge Menschen.

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Tina Adomako

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